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PORTRÄT DONALD TUSK POLNISCHER REGIERUNGSCHEF:: „Polen will die treibende Kraft in der EU werden“

Viele meinten, sich zu verhören, als Donald Tusk am Vorabend der polnischen EU- Ratspräsidentschaft 2011 so ehrgeizige Europa-Pläne verkündete. Polen war bis dahin mit dem Schreckensbild eines armen, ewigen Nein-Sagers assoziiert.

Viele meinten, sich zu verhören, als Donald Tusk am Vorabend der polnischen EU- Ratspräsidentschaft 2011 so ehrgeizige Europa-Pläne verkündete. Polen war bis dahin mit dem Schreckensbild eines armen, ewigen Nein-Sagers assoziiert. Das Gesellenstück der Ratspräsidentschaft gelang Tusk allerdings gut. Der drahtige Pole profilierte sich auf den Brüsseler Schauplätzen als pragmatischer Unterhändler, der Kompromisse zu stiften vermag. Dabei gab er sich immer als überzeugter Europäer, der auch keine Angst davor hat, Kompetenzen zugunsten des Gemeinwohls abzugeben. Kein Wunder, dass die Europäische Volkspartei laut einem Medienbericht erwägt, Tusk zum Spitzenkandidaten für die Europawahl 2014 zu küren. Damit ist der Anspruch auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten verbunden.

Die robuste polnische Wirtschaft, die selbst im Krisenjahr 2009 keine Rezession vermelden musste, half Tusk dabei, sich aus dem Osteuropa-Schattendasein auf die Sonnseite der EU hinzubewegen. Tusks rechtsliberale Regierung hatte das europäische Wirtschaftswachstum ganz oben auf die Prioritätenliste der Ratspräsidentschaft gesetzt und dabei eigene Lieblingsprojekte wie Ostpolitik und EU-Erweiterung bewusst in den Hintergrund treten lassen.

Zu Hause gibt er nach den turbulenten Jahren der Kaczynski-Herrschaft auch heute noch vor allem eine Verschnaufpause. „Liebe, nicht Macht ist das Wichtigste im Leben“, hatte der Wahlsieger im Herbst 2007 seinen Fans erklärt. Tusk galt zwar in Polen lange als Vorzeigeliberaler, doch seit seinem Machtantritt verzichtet er fast ebenso konsequent auf ein ideologisches Credo. Die Gegner werfen ihm deshalb vor, seine Politik vor allem nach den Meinungsumfragen zu gestalten.

Vor allem aber ist Tusk ein Aufsteiger. Der 1957 in Danzig als Sohn eines kaschubischen Tischlers und einer polnischen Krankenschwester geborene Tusk betont immer wieder, er sei in den Danziger Hinterhöfen aufgewachsen. Im antikommunistischen Danziger Untergrund galt er als Heißsporn; nach seinem Geschichtsstudium konnte der junge „Solidarnosc“-Aktivist aus politischen Gründen nur als Fensterputzer arbeiten.

Tusk hat Armut und Unterdrückung am eigenen Leib erfahren. Sparen, aber auch Zusammenstehen ist ihm nicht fremd. Und er macht keinen Hehl daraus, dass er diese Erfahrungen auch auf die Politik überträgt – in Polen, wie auch in Brüssel. Paul Flückiger

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