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Porträt: ''Ihr werdet die Wahrheit erkennen''

Sie ist eine der stärksten Frauen der Welt: Aung San Suu Kyi, Oppositionsführerin in Birma. Ein Porträt

Sie macht einen gebrechlichen Eindruck, weil sie so dürr ist und ein schmales Gesicht hat. Doch sie ist eine der stärksten Frauen der Welt: Aung San Suu Kyi ist die Führerin der unterdrückten Opposition Birmas, sie ist eine weltweit verehrte Freiheitsikone, Friedensnobelpreisträgerin und sie personifiziert die Hoffnung von Millionen Menschen, die nicht mehr von Tyrannen in Uniformen regiert werden wollen. „Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass unser Land demokratisch wird“, sagt Suu Kyi, „und zwar rasch und geordnet.“ Friedlich kämpft die 62-Jährige gegen die Militärs, die in ihrem Land seit 45 Jahren herrschen.

Suu Kyi studierte in Großbritannien und lebte dort 28 Jahre lang. Ende der 80er Jahre kehrte sie zurück, um politische Verantwortung zu übernehmen. Die mit von ihr gegründete Partei, die Nationale Liga für Demokratie, gewann 1990 freie Wahlen. Aber die Partei durfte die Macht nicht übernehmen, weil das Militärregime das Wahlergebnis nicht akzeptierte. Seitdem sperren die Generäle Suu Kyi immer wieder ein, mal im Gefängnis, mal in ihrem Haus an Ranguns Inya-See, wo sie auch jetzt, seit 2003 ununterbrochen, unter Arrest steht. Zwölf der vergangenen 18 Jahre verbrachte Suu Kyi in Gefangenschaft. Trotzdem bietet sie den Generälen weiterhin die Stirn: durch ihre Forderung nach Demokratie, durch Sitz- und Hungerstreiks. Am vergangenen Wochenende trat sie kurz vor ihr Haus und grüßte weinend die demonstrierenden Mönche: „Gut so!“

Die Junta bezeichnet Suu Kyi als „Sicherheitsgefahr“ für das Land. In Wahrheit ist sie nur für die Militärregierung gefährlich, weil sie so populär und willensstark ist. Einmal war sie unter der Auflage freigekommen, die Stadt Rangun nicht zu verlassen. Sie fuhr trotzdem los. Als man sie aufhielt, blieb sie aus Protest tagelang in ihrem Auto. Ihr Lieblingszitat aus der Bibel, sagte sie einmal, sei Johannes 8,32: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen.“

Dass sie vom Volk verehrt wird, weiß Suu Kyi. Ohne Schauspielerei hat sie etwas Majestätisches. Sie weiß, wie schwer ihr Name wiegt, der Name ihres Vaters Aung San. Der General trotzte den britischen Kolonialherren 1947 die Unabhängigkeit ab und ist bis heute, selbst bei der Junta, unumstrittener Nationalheld. Die Tochter trägt den Namen mit Würde.

Nun sitzt sie da, in dem Haus am See, und wartet auf den Tag, an dem sie ihr Land führen darf. Ihren Namen öffentlich auszusprechen, ist gefährlich. Deshalb ist schlicht von der „Lady“ die Rede – und jeder weiß, wer gemeint ist. Moritz Kleine-Brockhoff

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