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PORTRÄT JAN STUDENT 2011:: „Studieren geht über marschieren“

Hier steht er nun und kann nicht anders. Er studiert.

Hier steht er nun und kann nicht anders. Er studiert. War es das Flehen der Politiker nach Fachkräften, das ihn erweicht hat? Hat er keinen Ausbildungsplatz bekommen? Sehnt er sich einfach nach Erkenntnis? Wie dem auch sei: Als einer von 515 800 Studienanfängern schreibt er jetzt Geschichte. 55 Prozent seines Altersjahrgangs studieren, das ist Rekord.

Jan heißt er, wie viele seiner Kommilitonen. Denn das war der beliebteste Jungenname vor 18 und auch vor 20 Jahren. In jener Zeit entschieden sich nicht einmal halb so viele für ein Studium, die Quote lag bei 27 Prozent. Trotzdem mussten die Studierenden schon damals lange vor der Sprechstunde ihres Professors anstehen und durften nicht hoffen, dass er sich aus dem vollen Seminar noch an ihre Gesichter erinnert.

Denn zwar sollten seit den siebziger Jahren in der Bundesrepublik nicht mehr nur die drei bis fünf Prozent der Kinder aus der Oberschicht studieren. Auch das kluge, aber benachteiligte „katholische Arbeitermädchen vom Land“ (so der Soziologe Hansgert Peisert 1967) sollte seine Chance bekommen. Erst recht, da die Wirtschaft auch damals mehr „Fachkräfte“ verlangte. Angemessen finanziert wurde die Expansion aber nie. Die Finanzminister „untertunnelten“ den „Studentenberg“. Sie sparten an Stellen und Laboren.

Wie seine Eltern studiert Jan also im Gewuhle, aber natürlich unter anderen Vorzeichen. Es ist auch deshalb so voll, weil wegen des verkürzten Abiturs in Bayern und Niedersachsen zwei Jahrgänge zur gleichen Zeit an die Uni kommen. Außerdem wurde die Wehrpflicht ausgesetzt, auch für Jan. Freiwillig wollte er aber nicht zur Bundeswehr: „Studieren geht über marschieren“, sagt er. Damit ist er nicht allein. Der Männeranteil an den Hochschulen stieg gegenüber dem Vorjahr um 23 Prozent an, der der Frauen nur um neun Prozent.

Die Politik hat massenhaft Studienplätze aufgebaut. Doch Jan hat Angst, dass er später keinen Platz im Master findet. Was ist zu tun? Die Hochschulrektoren fordern Studiengebühren, wie es sie nur noch in Niedersachsen und in Bayern gibt. Jans Familie wäre zu diesem Opfer zwar bereit. Doch noch ist es dafür zu früh. Schließlich hat die Bundesregierung genug Geld, um etwa die Hoteliers um eine Milliarde Euro bei den Steuern zu entlasten.

Darum hat Jan gerade an den bundesweiten Bildungsdemos teilgenommen. Schon seine Eltern machten es so. Anja Kühne

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