zum Hauptinhalt

PORTRÄT JAN SVEJNAR PRÄSIDENTSCHAFTSKANDIDAT:: „Tschechien lebt unter seinen Möglichkeiten“

Der Aufstieg des Kandidaten Jan Svejnar bei der Präsidentenwahl in Tschechien gilt unter Politologen schon jetzt als Sensation. Um Sympathien zu erwerben, hat er sich den amerikanischen Wahlkampf zum Vorbild genommen. Ein Porträt

Das Rezept für seinen Wahlkampf hat Jan Svejnar aus Amerika mitgebracht: Große Säle, viel Werbung und allgegenwärtige Präsenz – mit diesen Mitteln hat der 55-jährige Volkswirtschaftsprofessor die Tschechen auf die Präsidentenwahl eingestimmt, die heute in Prag stattfindet. Er ist der einzige Herausforderer von Amtsinhaber Vaclav Klaus und hat mit seiner massiven Kampagne bereits einen ersten Erfolg erzielt: In aktuellen Meinungsumfragen liegt der politisch unerfahrene Svejnar in der Gunst der Tschechen vor seinem Kontrahenten. Diese Popularität allerdings hat auf die Präsidentenwahl keinen direkten Einfluss: Nur die Mitglieder von Abgeordnetenhaus und Senat entscheiden über das künftige Staatsoberhaupt – und wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse dort ist der Ausgang der Präsidentenwahl derzeit noch völlig offen.

Unter Politologen gilt der Aufstieg von Jan Svejnar zum Liebling der Tschechen schon jetzt als Sensation. Noch bis vor wenigen Wochen war der Volkswirt in Prag weitgehend unbekannt, weil er seit fast 40 Jahren in den USA lebt. 1970 ging Svejnar ins Exil, seit mehr als einem Jahrzehnt ist er Professor an der University of Michigan. „Er hat einen Blick von außen und ist nicht in die politischen Seilschaften hier im Lande verstrickt. Deshalb könnte Svejnar eine Brücke zwischen den heillos zerstrittenen Parteien bauen“, sagt der Prager Politologe Jiri Pehe.

Seine Erfahrungen aus den USA setzt Svejnar, der die tschechische und die US-Staatsbürgerschaft hat, im Wahlkampf ganz bewusst ein. Zusammen mit Dutzenden ehrenamtlichen Helfern zieht Svejnar alle PR-Register. Wochenlang tourte er durch tschechische Städte, trat in Universitätshörsälen, Mehrzweckhallen und Abgeordnetenbüros auf. Fast jeden Tag druckt eine der tschechischen Zeitungen ein seitenfüllendes Svejnar-Interview, und seine US- Ehefrau zählt in Prag mittlerweile zur örtlichen Prominenz, obwohl sie kein Wort Tschechisch spricht. In TV-Shows verkündet Svejnar immer wieder seine Überzeugungen: „Als Volkswirt trete ich für den freien Markt ein, aber wir dürfen auch die sozialen Werte nicht vergessen“, sagt er. Solche Sätze kommen vor allem bei den tschechischen Sozialdemokraten gut an, die den parteilosen Svejnar gemeinsam mit den Grünen für das Präsidentenamt nominiert haben. Ob es Svejnar allerdings gelingt, auch Stimmen aus dem gegnerischen Lager zu gewinnen, ist derzeit ungewiss. Kilian Kirchgeßner

Kilian Kirchgeßner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false