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PORTRÄT LUIZ IGNACIO „LULA“ DA SILVA PRÄSIDENT BRASILIENS:: „Wir wollen Atom-U-Boote“

Schon immer galt Brasilien als „Land der Zukunft“, doch der Sprung in die Riege der Großmächte ist dem Schwellenland trotz allen Potenzials nie gelungen. Armut, Ungleichheit, verkrustete Machtstrukturen auf dem Land, zu wenig Ausgaben für Forschung und Bildung – lang ist die Liste der Defizite.

Schon immer galt Brasilien als „Land der Zukunft“, doch der Sprung in die Riege der Großmächte ist dem Schwellenland trotz allen Potenzials nie gelungen. Armut, Ungleichheit, verkrustete Machtstrukturen auf dem Land, zu wenig Ausgaben für Forschung und Bildung – lang ist die Liste der Defizite. In seinem ersten Mandat habe er sich den internen Problemen gewidmet, im zweiten stehe nun die Stärkung der internationalen Rolle Brasiliens auf dem Programm, verkündete Brasiliens Präsident Lula kürzlich. Jetzt träumt er gar von der atomaren Zukunft seines Landes.

Möglicherweise übernimmt sich der ehemalige Gewerkschaftsführer da ein bisschen. Denn die internen Konfliktherde schwelen weiter. Zwar ging die Armut dank großzügiger Sozialprogramme zurück, doch noch immer lebt jeder vierte Brasilianer in Armut, der Ethanol- und Sojaboom zerstören den Amazonasregenwald, noch immer versklaven Großgrundbesitzer mittellose Tagelöhner, und kriminelle Banden terrorisieren Brasiliens Großstädte schlimmer als je zuvor. Um dieser Probleme Herr zu werden, müsste Lula klientelistische Strukturen aufbrechen, die sich inzwischen auch in seiner Partei breitgemacht haben. Und er müsste sich mit der konservativen Oligarchie anlegen, mit der er im Kongress einen Pakt geschlossen hat. Beides ist nicht zu erwarten. Zwar schwang Lula als Gewerkschaftsführer radikale Parolen und zeigte sich im kämpferischen, roten Outfit. Doch bereits in seiner ersten Amtszeit stellte sich heraus, dass er konfliktscheu ist und es gerne allen recht machen will.

Für die armen Brasilianer ist der 61-Jährige, der als Kind mit seiner Familie vor einer Hungersnot aus dem dürren Nordosten fliehen musste, bis heute einer der ihren. Eine Art „Übervater“, der sich mit Sozialprogrammen für die Wählerstimmen bedankt. Als Staatschef allerdings hat der ehemalige Metallarbeiter seine Schwächen. Er ist ein emotionaler Mensch geblieben, jemand, der das Herz auf der Zunge trägt, und der die Verantwortung fürs Alltagsgeschäft gerne abgibt. Meist an die falschen: Viele seiner Vertrauten mussten nach Korruptionsskandalen in den vergangenen Jahren die Regierung verlassen. Obwohl die Geschäfte brummen, sieht die Elite bis heute auf den einstigen Volksschüler hinab, mokiert sich über seine lispelnde Sprechweise und fehlende Bildung. Der Aufstieg zur Atommacht mag für die Demütigung entschädigen – könnte sich aber als teure Fata Morgana erweisen. Sandra Weiss

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