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PORTRÄT OTMAR ISSING NEUER KANZLERBERATER:: „Schlimmste Krise seit 1929“ In der Hauptrolle: der Bundespräsident

Ex-Tatort-KommissarBruno Ehrlicher alias Peter Sodann will ins höchste Amt, und kaum einer lacht

Er ist zwar seit zweieinhalb Jahren raus aus dem aktiven Geschäft. Das heißt aber nicht, dass Otmar Issing nicht mehr tief drin wäre im Finanzgeschehen. Der 72-jährige Wirtschaftsprofessor, der von der Gründung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Sommer 1998 bis Frühjahr 2006 als Chefvolkswirt im Frankfurter Euro-Tower maßgeblich die Zinspolitik und generell die Politik der Notenbank mitgetragen hat, ist gefragter Gesprächspartner und mischt sich als Präsident des Center for Financial Studies in Frankfurt immer wieder in die Diskussion ein.

Kein Wunder also, dass die Bundeskanzlerin nach der fehlgeschlagenen Anwerbung von Ex-Bundesbank-Chef Hans Tietmeyer ihre Augen auf Issing richtete und ihn als Chef der Expertenkommission für die Reform der Internationalen Finanzmärkte berufen hat. Es sei die schlimmste Krise seit 1929, sagte Issing in der letzten Woche. Und sie müsse Konsequenzen haben. Wobei er zugleich durchblicken ließ, dass die Niedrigzinspolitik in den USA einer der Hauptauslöser der Krise war.

So bescheiden und sympathisch der Ökonomieprofessor immer aufgetreten ist: In der Sache war er sowohl als Chefökonom der Bundesbank wie auch der EZB stets Verfechter einer straffen Geldpolitik, die die Inflation im Zaum halten sollte. Der Leitzins sollte, so Issings Credo, immer eher etwas zu hoch als zu niedrig sein. Geldschleusen waren mit ihm nie zu öffnen. Ebenso konsequent war Issings Eintreten für den Euro. Er ist einer der Väter der europäischen Einheitswährung. Die aktuelle Krise hat ihn in seiner Überzeugung bestärkt. „Es ist nicht schwierig, sich vorzustellen, was in der Finanzmarktkrise geschehen wäre, wenn die Euroländer ihre nationalen Währungen noch hätten: Währungsspekulation im großen Stil, Stützkäufe der Zentralbanken und schließlich ein Zusammenbruch des Wechselkurssystems.“

Trotzdem muss auch Issing sich mit den neuen Umständen arrangieren. Dass die EZB die Banken mit Liquiditätsspritzen in einer vor Jahresfrist ungeahnten Milliardenhöhe stützen muss und die Notenbank gar in Osteuropa zum Krisenmanager avanciert, hätte sich der Franke ebenso wenig vorstellen können wie das 500-Milliarden- Euro-Paket der Bundesregierung für den Finanzsektor. Damit werde das Problem an den Wurzeln gepackt, sagt Issing. Dass aber auch das nicht reichen könnte, ist mittlerweile auch dem weltweit angesehenen Ökonomen klar. In den nächsten Wochen wird Issing einiges einfallen müssen, damit die Welt die Finanzkrise endgültig überwinden kann – allein schon des guten Rufs wegen, der ihm vorauseilt. Rolf Obertreis

Wenn Kinder gefragt werden, was sie einmal werden möchten, sagen die Jungs: Raumfahrer, Eventmanager oder Moderator. Bei Mädchen ist es die Schönheitskönigin, das Model oder die Freundin von Boris Becker. Kaum vorzustellen, dass ein Kind sagen würde: „Ich möchte Bundespräsident werden.“ Auch wenn manche Kinder dazu neigen, sich zu überschätzen, wissen doch die meisten, wo die Realität aufhört und das Reich der Fantasie anfängt.

Ganz anders der Schauspieler Peter Sodann, 72, der von der Nachfolgeorganisation der früheren DDR-Staatspartei SED, die heute als Die Linke firmiert, für das Amt des Bundespräsidenten nominiert wurde. Er soll gegen Horst Köhler und die Kandidatin der SPD, Gesine Schwan, ins Rennen geschickt werden. Dagegen wäre im Prinzip nichts einzuwenden, denn Demokratie lebt von der Vielfalt und der Konkurrenz. Käme ein Opel-Corsa-Fahrer freilich auf die Idee, bei einem Formel-1-Rennen anzutreten, würde er die anderen Teilnehmer nicht das Fürchten lehren, sondern für allgemeine Heiterkeit auf den Rängen sorgen.

Tatort-Kommissar Bruno Ehrlicher alias Peter Sodann macht bei dem Rennen aber nicht nur aus Spaß an der Freud mit. Er sagt: „Mein Herz hat immer links geschlagen“, deswegen wolle er mithelfen, „langfristig die Utopie einer gerechteren und friedlicheren Welt zu verwirklichen“.

Kurzfristig würde er als Bundespräsident dafür sorgen, dass „in dieses Amt etwas mehr Heiterkeit hineinkommt“, er würde „für die Welthungerhilfe sammeln und mich an die wenden, die in der letzten Zeit so viel Geld angehäuft haben, dass es fast unsittlich ist, es überhaupt anzunehmen“; und er würde eine neue Nationalhymne vorschlagen: Brechts Kinderhymne.

Obwohl Sodanns Vorstellungen vom Amt des Bundespräsidenten recht lustig sind, hat kaum jemand aufgelacht. Das wiederum kommt nicht daher, dass die Deutschen keinen Humor hätten, die Art, wie sie die Finanzkrise meistern, zeugt vom Gegenteil. Es kommt daher, dass sie den Kandidaten für einen echten Polizeikommissar halten, der unter dem Pseudonym Peter Sodann politische Probleme so lösen würde, wie es Kommissar Bruno Ehrlicher mit seinen Kriminalfällen gelingt: mit Augenmaß, Herz und Witz.

Immerhin wurde Bruno Ehrlicher schon 1999 von der sächsischen Polizeigewerkschaft zum ersten „Ehrenkommissar des Freistaates Sachsen“ ernannt, eine Auszeichnung, die Peter Sodann dankbar annahm.

Der geborene Sachse ist nicht der Erste, der einen Rollenwechsel aus dem fiktiven in das wahre Leben riskiert. Klausjürgen Wussow spielte so lange den „Professor Brinkmann“ in der „Schwarzwaldklinik“, bis er selbst davon überzeugt war, dass er eine Ahnung von Medizin hatte. Viele seiner Zuschauer trauten „Prof. Brinkmann“ mehr zu als dem eigenen Hausarzt und baten ihn um fachlichen Beistand. Als Horst Tappert nach 281 Folgen in 24 Dienstjahren als „Oberinspektor Derrick“ zur Interpol versetzt wurde, wollte Fritz Wepper, der Derricks Assistenten Harry Klein spielte, unbedingt zu seinem Nachfolger befördert werden und die Leitung der Abteilung übernehmen, wie das in einer echten Mordkommission auch der Fall gewesen wäre.

Heute sitzt fast in jeder Talkshow ein Schauspieler oder eine Schauspielerin, der/die sich für die Teilnahme an der Runde durch seine/ihre Rolle qualifiziert hat. War eine Schauspielerin in einer Vorabendserie als alleinerziehende Mutter zu sehen, kann man davon ausgehen, dass sie bald auch an einer Diskussion über die Nöte alleinerziehender Mütter teilnehmen wird. Vor kurzem saß bei Anne Will ein Schauspieler, der als „Kommissar“ in einem „Tatort“ wegen Brandstiftung in einem Asylantenheim ermittelt hatte. Das war auch das Thema bei Anne Will.

Im deutschen Fernsehen sind solche Simulationen inzwischen Routine. Deswegen kann auch Peter Sodann für das höchste Amt kandidieren, ohne fürchten zu müssen, sich lächerlich zu machen. Nur als Ronald Reagan Präsident der USA wurde, wollte das Gelächter über den Cowboy im Weißen Haus nicht mehr aufhören. Nicht anders erging es Arnold Schwarzenegger, als er mit immerhin 48 Prozent der Stimmen vor fünf Jahren zum Gouverneur von Kalifornien gewählt wurde. Ein echter Muskelmann in der Politik. So sind die Amis!

In Deutschland muss es wenigstens ein falscher Kommissar sein.

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