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Auf dem Boden der Verfassung?

© dpa

Positionen: Demonstrationsblockaden gegen rechts? Nein Danke

Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind Grundrechte, die keinem vorzuenthalten sind. Für Generalstaatsanwalt Rautenberg gilt das auch für die Neonazis, die am 13. Februar in Dresden demonstrieren wollen.

Vor einer Woche hat das Bündnis „Nazifrei-Dresden“ die Kampagne „Blockieren bis der Naziaufmarsch Geschichte ist“ gestartet. Wie in diesem Jahr sollen auch die am 13. Februar 2011 zu erwartenden rechtsextremistischen Aufmärsche anlässlich des 66. Jahrestags der Bombardierung Dresdens verhindert werden. Dem Aufruf angeschlossen haben sich zahlreiche Prominente, darunter die Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) und Petra Pau (Die Linke).

Im Klartext bedeutet das: Selbst dann, wenn Demonstrationen Rechtsextremer an diesem Tag nicht rechtlich untersagt werden könnten, weil die Teilnehmer die ihnen in der Verfassung garantierten Grundrechte der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) wahrnehmen und dies vielleicht sogar vom Bundesverfassungsgericht festgestellt würde, sollen die Demonstranten an der Ausübung ihrer Grundrechte gehindert werden.

Der Polizei obliegt aber die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass nicht verbotene Demonstrationen auch stattfinden, und die Staatsanwaltschaft hat einzuschreiten, wenn diese durch Blockaden oder „grobe Störungen“ vereitelt werden und sich der Verdacht der Straftat einer Nötigung oder einer Straftat nach dem Versammlungsgesetz ergibt. Dazu bedarf es entgegen einer landläufigen Meinung nicht der Anwendung körperlicher Gewalt. Das schicke Wort „Zivilgehorsam“ verschleiert, dass es um nichts Geringeres geht als die Verteidigung unserer Verfassung.

Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in einer Entscheidung vom 4. November 2009 den durch Gesetz vom 24. März 2005 in den § 130 StGB (Volksverhetzung) eingefügten Abs. 4 unbeanstandet gelassen, wonach bestraft wird, „wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt“. Obwohl es dadurch leichter geworden ist, rechtsextremistische Aufmärsche zu verbieten, wird es weiter rechtlich zulässige Demonstrationen Rechtsextremer geben. Dazu heißt es in dem Urteil: „Die mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, gehört zum freiheitlichen Staat. Der Schutz vor einer Beeinträchtigung des ‚allgemeinen Friedensgefühls’ oder der ‚Vergiftung des geistigen Klimas’ sind ebenso wenig ein Eingriffsgrund wie der Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins durch totalitäre Ideologien oder eine offenkundig falsche Interpretation der Geschichte.“ Dieses Verfassungsverständnis wird von denen, die zur Blockade nicht verbotener Demonstrationen aufrufen, ignoriert.

Dadurch nimmt unsere Demokratie Schaden, zumal wenn sich an die Spitze hohe Repräsentanten des Staates stellen. Dieser Schaden besteht nicht nur in der Missachtung unserer Verfassung. Die Versammlungsblockaden gefährden auch die bestehende Front gegen den Rechtsextremismus. Dieses breite Bündnis ist in Gefahr, weil Polizei und Justiz sich selbstverständlich nicht an Rechtsbrüchen beteiligen dürfen, sondern dagegen einschreiten müssen, und am rechten Rand des demokratischen Spektrums immer mehr die Entscheidung treffen, keine gemeinsame Sache mit Demonstrationsblockierern zu machen.

Polizei und Staatsanwaltschaft werden zudem in das Dilemma gebracht, diejenigen schützen zu müssen, deren Meinung sie ebenso ablehnen wie die Blockierer, gegen die sie einschreiten müssen. Strafverfahren enden allerdings zumeist mit keiner oder einer geringen Sanktion wegen „geringer Schuld“. Dafür sprechen zwar die ehrenwerten Motive vieler Beschuldigter und ihr Verzicht auf Gewalttätigkeiten, doch hat dies zur Folge, dass sich die Blockierer für ihren „Zivilen Ungehorsam“ feiern lassen und die Blockaden munter weitergehen. Letztlich profitieren die Rechtsextremen von den Blockaden, weil diese ihnen helfen, Sympathisanten zu mobilisieren und einen Keil zwischen die Demokraten zu treiben.

Der Autor ist Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg.

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