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POSITIONEN: Raus aus dem Streichelzoo

Es ist unübersehbar, dass Russland eine imperiale Außenpolitik verfolgt, die mit derjenigen Deutschlands und der EU kaum übereinstimmt. Drei Ratschläge, wie Europa mit Russland umgehen sollte

Bevor der russische Präsident Dmitri Medwedew sein Amt antrat, verkündeten zahlreiche westliche Regierungen das hoffnungsvolle Credo ihrer Russlandpolitik: Der Nachfolger von Wladimir Putin werde sich außenpolitisch nicht nur im Ton konzilianter als sein Vorgänger geben, sondern sich auch in vielen Sachfragen kompromissbereiter zeigen. Medwedew werde die gemeinsamen Werte und Ziele in den Mittelpunkt stellen und damit die Tür für eine strategische Partnerschaft zwischen Russland und dem Westen aufstoßen.

Es hat keine 100 Tage gedauert, bis Medwedew diese Hoffnungen als Illusion bloßgestellt hat. Rhetorisch wie operativ hat er die Konturen einer Außenpolitik erkennen lassen, die den Linien der vergangenen Jahre folgt. Moskau lehnt weiterhin eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine aggressiv ab, hat die Spannungen zwischen Georgien und seinen sezessionistischen Provinzen für eine militärische Intervention im Kaukasus genutzt, betrachtet die von den USA in Osteuropa geplante Raketenabwehr als Bedrohung und fordert eine Neuordnung der europäischen Sicherheitsarchitektur. Auch personell herrscht Kontinuität. Der starke Mann der Außenpolitik bleibt Wladimir Putin, nun als Ministerpräsident.

Es ist unübersehbar, dass Russland eine imperiale Außenpolitik verfolgt, die mit derjenigen Deutschlands und der EU kaum übereinstimmt. Die Anerkennung des Kosovo, die Zukunft des Vertrages über die konventionellen Streitkräfte in Europa, der Umgang mit autoritären Regimen, etwa in Venezuela oder Simbabwe, sind nur einige Beispiele. Damit offenbart sich ein politisches Dilemma. Einerseits wird Moskau als Energielieferant und Partner benötigt. Andererseits verhält sich die russische Führung in Einzelfragen wie ein weltpolitischer Rivale des Westens. Dies unterstreicht, wie notwendig ein neuer strategischer Ansatz ist, wie mit Moskau als „zurückgekehrter Weltmacht“ umzugehen sei.

Erstens dürfen die europäischen Hauptstädte die energiepolitische Abhängigkeit von Moskau nicht mit einer gleichberechtigten Partnerschaft verwechseln, die darauf abzielt, das internationale System gemeinsam zu gestalten – etwas voneinander zu wollen, bedeutet nicht, etwas miteinander zu wollen. Kein seriöser Beobachter wird die Bedeutung Russlands für die Versorgung Westeuropas mit Erdöl und -gas in den kommenden Jahrzehnten bestreiten. Das darf jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass es tiefe ordnungspolitische Gegensätze zwischen Russland und dem Westen gibt. Diese Differenzen, die die Kanzlerin bei ihrem morgigen Besuch in Russland klar benennen sollte, bestimmen letztlich den Umfang der zukünftigen Kooperation.

Zweitens sollte sich der Westen von der Vorstellung lösen, dass es lediglich weiterer Institutionen bedürfe, um Russland zur Zusammenarbeit zu bewegen . In den vergangenen Jahren haben EU und Nato auf Moskau zugeschnittene Kooperationsforen geschaffen. Das hat jedoch nicht dazu geführt, dass sich die Ansichten angenähert hätten, im Gegenteil: Auf Grund seiner energiepolitischen Stärke glaubt Russlands Führung, auf viele dieser Kooperationen verzichten zu können. Präsident Medwedew sollte mit der Erwartung konfrontiert werden, diese wieder für den Dialog zu nutzen.

Drittens ist die enge Abstimmung der Partner in der EU und in der Nato die Voraussetzung für eine geschlossene und damit wirksame Russlandpolitik. Zu oft haben diese zugelassen, dass Moskau Meinungsunterschiede dazu nutzen konnte, die Mitglieder beider Organisationen gegeneinander auszuspielen. Ziele und Instrumente der westlichen Russlandpolitik müssen in der EU und der nordatlantischen Allianz kohärent und wirksam entwickelt werden. Zugleich müssen jedoch die Grenzen der Zusammenarbeit realistisch bewertet werden. Der Schlüssel für eine wirkliche Partnerschaft des Westens mit Russland liegt in der Bereitschaft Moskaus, sich statt von einem Großmachtdenken des 19. Jahrhunderts von einer politischen Kooperationslogik des 21. Jahrhunderts leiten zu lassen. Dieser Wille ist im Moment kaum zu erkennen.

Der Autor leitet die Forschungsgruppe „Sicherheitspolitik“ der

Stiftung Wissenschaft und Politik.

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