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POSITIONEN: Vom Roten Rathaus bis zur Deutschen Oper

Ein Berliner Modell zeigt: Fürs Energiesparen braucht man viel Energie

Energiesparen und Energieeffizienz stehen hoch im Kurs – zumindest auf dem Papier. Die Realität sieht leider anders aus. Bei den im Eilverfahren durchgezogenen Beschlüssen des Bundestages zur Energiewende kamen diese Themen weitgehend unter die Räder. Dabei wird es Zeit, diesen „schlafenden Riesen“, wie er von Fachleuten bezeichnet wird, aufzuwecken.

Die nackten Zahlen machen deutlich, worum es geht. Während der Ausbau der Erneuerbaren Energien gut vorankommt, hinkt die Energieeffizienz meilenweit hinterher – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Das angestrebte Ziel, bis 2020 EU-weit rund 20 Prozent weniger Energie zu verbrauchen, liegt in weiter Ferne.

Steuern wir nicht um, könnte die sogenannte Energiewende in einer Energie-Pirouette zu Lasten der Verbraucher enden. Sie zahlen die Zeche, weil steigender Energiebedarf und steigende Erzeugerpreise zu höheren Energiekosten in der Industrie und bei privaten Haushalten führen. Deutschland ist zu 70 Prozent von außereuropäischen Energieimporten abhängig, ob Öl aus dem Nahen Osten oder Erdgas aus Russland. Diese Abhängigkeit wird zunächst weiter zunehmen, denn für den Umstieg auf Erneuerbare Energien sind kurzfristig mehr flexibel regelbare Gaskraftwerke notwendig, um die schwankende Stromeinspeisung aus Wind- und Solaranlagen auszugleichen und Atomkraftwerke zu ersetzen.

Außerdem muss die Wirtschaft milliardenschwere Investitionen in Wind- und Solarparks, Speicher, Leitungen, Netze und dezentrale Erzeugungsanlagen schultern. Vor diesem Hintergrund ist eine Erhöhung der Erzeugerpreise für Energie unausweichlich – nur die Reduzierung der Verbrauchsmengen kann dem entgegenstehen und somit stabile Energiekosten sichern. Umso wichtiger sind deshalb Gebäudedämmung, sparsame Antriebsmaschinen und IT-Technologie und auch effiziente Haushaltsgeräte, um nur einige Beispiele zu nennen.

Als europäischer Innovationsmotor sollte Deutschland dabei vorangehen. Notwendig ist zunächst ein verpflichtendes bundespolitisches Ziel, welche Einsparungen in den kommenden Jahrzehnten erzielt werden sollen. Darauf aufbauend müssen starke staatliche Anreizsysteme aufgebaut werden. Die Aufstockung des CO2-Gebäudemodernisierungsprogramms der KfW Bankengruppe auf jetzt 1,5 Milliarden Euro pro Jahr reicht nicht aus, um die jährliche Rate der energetischen Modernisierungen im Gebäudebestand signifikant anzuheben. Ebenso muss die vom Bundestag beschlossene – und vom Bundesrat leider abgelehnte – steuerliche Absetzbarkeit von Modernisierungsmaßnahmen erneut vorangebracht werden. Die durch Gebäudemodernisierungen ausgelösten privaten Investitionen schaffen und erhalten Arbeitsplätze im Handwerk und Mittelstand und führen zu einer hohen kommunalen Wertschöpfung.

Zusätzlich sollte die Politik Marktmechanismen stärken. Ein Modell dafür sind die in mehreren EU-Ländern bereits erprobten „weißen“ Energiesparzertifikate. Bei diesem System bekommen Energielieferanten verbindliche Energieeinsparziele. Sie können diese Ziele selbst bei ihren Kunden umsetzen – von Bezuschussung effektiverer Heizungen bis hin zu einer persönlichen Energiesparberatung. Noch effektiver und schneller ist es jedoch, wenn sie bei einem auf Energiesparen spezialisierten Dienstleister die entsprechende Menge an einzusparenden Kilowattstunden „einkaufen“ und dieser die erforderlichen Maßnahmen umsetzt. Dafür bekommen die Energielieferanten das „weiße“ Energiesparzertifikat.

Klare gesetzliche Vorgaben, günstige Darlehen und steuerliche Investitionsanreize sind der Schlüssel, um Deutschland auf dem Weg der Energieeffizienz ein gutes Stück voranzubringen. Alles zusammen mobilisiert privates Kapital, das für die Energiewende dringend erforderlich ist. Wie intelligent eingesetzte private Investitionen zu signifikanten Einsparungen führen, beweist übrigens das Land Berlin. Für mehr als 1400 öffentliche Gebäude – vom Roten Rathaus bis zur Deutschen Oper – haben das Land, die Bezirke und mehrere öffentliche Unternehmen mit Energiedienstleistern sogenannte „Energiesparpartnerschaften“ abgeschlossen. Die eingesparten Energiekosten – im Durchschnitt 26 Prozent – werden zwischen Gebäudeeigentümer und Energiedienstleister nach einem vertraglich geregelten Schlüssel aufgeteilt.

Die Erfahrungen aus diesem Berliner Modell könnten dazu dienen, auch im Bereich von Industrie und Gewerbe bis hin zur Wohnungswirtschaft und den Privathaushalten eine kommunale Energiespar-Infrastruktur aufzubauen, die auch sozialen Anforderungen gerecht wird. Geeignete Konzepte sind da. Bund und Länder sollten jetzt neue Instrumente mutig voranbringen.

Der Autor ist Geschäftsführer der Berliner Energieagentur und Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Energie- und Klimaschutzagenturen Deutschlands.

Michael Geißler

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