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Präsidentenwahl: Versöhnen statt spalten

Für die Linke, so erklären deren Vorsitzende Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, sei Joachim Gauck als Präsident nicht wählbar. Warum eigentlich nicht? Und sprechen die Vorsitzenden in dieser Frage wirklich für die Partei – und in deren Interesse?

In der Wahrnehmung der Linkspartei ist Joachim Gauck ein Feind. Das liegt an seiner zwischenzeitlichen Rolle als Leiter der Behörde, die Stasispitzel hat auffliegen lassen, und es liegt an Gaucks Haltung, frühere Stützen des Systems, vom Opportunisten bis zum Funktionär, bis heute kritisch zu sehen.

Die Linkspartei hat für Stasispitzel sowie für Opportunisten und DDR-Funktionäre stets eine besondere Anziehungskraft gehabt. Aber die Linkspartei hat auch gerne den Eindruck erweckt, dass sie die Spitzelei nicht generell gutheißt und Konsequenzen im Einzelfall anhand der Akten klären will. Für Parteifunktionäre gilt seit 1991, dass sie eine Arbeit für das MfS von sich aus zu offenbaren haben. Wer sich daran nicht hält, aber auffliegt, dessen Karriere ist zu Ende. Joachim Gauck ist so gesehen ein kritischer Begleiter dieses Weges gewesen.

Die Kandidatur Gaucks für das Amt des Bundespräsidenten steht parteipolitisch betrachtet für nichts von dem, was der Linkspartei wichtig oder gar heilig ist. Aber das gilt im Wesentlichen auch für die Sozialdemokraten und Grünen, die Gauck nominiert haben. Der Wunsch nach Verwirrung des politischen Gegners mag bei der Aufstellung des Kandidaten Gauck einige Bedeutung gehabt haben, aber das entwertet nicht den Vorgang an sich: Dem eindeutig parteigebundenen Kandidaten des Regierungslagers steht jetzt einer zur Wahl gegenüber, der auch für die andere Seite angetreten wäre, hätte sie ihn denn gefragt. Das ist nicht nur taktisch interessant, sondern auch demokratisch. Und zur bundesrepublikanischen Demokratie hatte sich die Linkspartei doch schon vor Jahren bekannt.

Gegen Gauck führt die Linke ins Feld, er sei keine moralische Instanz im Kampf gegen den Sozialabbau. Nun gehört der Kampf gegen den Sozialabbau auch nicht zu den vordringlichsten Aufgaben eines Präsidenten, selbst wenn er – oder sie – einer oder eine von der Linkspartei Gnaden wäre. Die Verfassung, der gegenüber sich treu zu verhalten die Linke behauptet, sieht solches jedenfalls nicht vor.

Unstatthaft aber ist es auch nicht für die Linke, die Präsidentenwahl auf ihre innenpolitische Wirkung abzuklopfen. Und da bleibt für sie ein doppeltes Funktionsargument: Sie könnte mit der Wahl Gaucks der schwarz-gelben Regierung das Leben schwer machen – und sich selbst zugleich als eine Partei darstellen, die ein weiteres Kapitel ihrer unrühmlichen Vergangenheit abschließt. Ein Versöhnungsprojekt der anderen Art. Stattdessen nennt Gesine Lötzsch Gauck einen Mann der Vergangenheit und kündigt die Kandidatur einer Frau an. Eine der Zukunft?

Zudem: Zwei Ostdeutsche an der Spitze des Staates – das müsste doch gerade der Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die Interessen der benachteiligten Ostdeutschen von allen am besten zu berücksichtigen, besonders gut gefallen.

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