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Radio Paradiso: Eine Lizenz zum Senden – und Töten

Radio Paradiso wird abgeschaltet. Der Medienrat will es so. Seine Kriterien sind fragwürdig

Das Leben ist bunt, Berlin ist bunt, da muss das Radio auch bunt sein. Bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) heißt das nicht bunt, sondern vornehmer: vielfältig. Also fliegt Radio Paradiso aus dem UKW-Spektrum – und Oldiestar rückt Ende des Jahres nach.

Gewonnen ist damit nichts. Zwar ist der Medienrat der festen Überzeugung, die Musikfarbe von Oldiestar sei „eine Bereicherung der Gesamtvielfalt“. Da sind empfindlichste Ohren am Hören. Dabei setzt der Newcomer schlicht auf jene Playlist, die Radio Paradiso seit 1997 abspielt und die den Gesamtmarkt der privaten Stationen prägt: Liedgut aus dem Phil-Collins-Tina-Turner-Schallarchiv. Zugleich hat der Medienrat Defizite beim Wortprogramm von Radio Paradiso festgestellt – zu wenig Wort, zu wenig christliches Wort. Bei der Station regiere softe Wellness statt rigider Einkehr, zur Buße wird der Sünder-Sender aus dem UKW-Paradies verwiesen.

Mit dieser Entscheidung ist das Auswahlverfahren für den privaten Radiomarkt in der Region an sein Ende gekommen. Das Procedere ist überkommen, Kriterien und Grundlagen sind fragwürdig. Die MABB stellt Sendelizenzen nur befristet aus. Nach sieben Jahren on air wird vielleicht um sieben weitere Jahre verlängert. Nach 14 Jahren werden die Frequenzen neu ausgeschrieben. Der Berliner Rundfunk 91,4 und 104.6 RTL dürfen 2012 wieder vortanzen, Radio Teddy ist bereits im nächsten Jahr dran. Solch befristete Zulassung löst bei den Veranstaltern gravierende Rechts- und Planungsunsicherheit aus. Investitionen gerne, aber für welche Zukunft?

Kein anderes Medium in dieser Region – weder Print noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk – muss sich auf dieses Roulette einlassen. Sieben Jahre, 14 Jahre, das ist ein willkürliches Maß. Gerechter wäre eine Lizenz ohne Befristung, die bei geprüften Verstößen gegen Zusagen und Richtlinien aufgekündigt werden kann. Ist dem Medienrat schon einmal aufgefallen, was Bewerber dem Gremium für eine Frequenz-Zuteilung alles versprechen? Radio Paradiso scheitert nicht an seinen Hörern, der Sender scheitert an den Medienräten im Wolkenkuckucksheim.

Ein Realitätscheck täte dem Gremium gut. Das kommerzielle Radio steht enorm unter Druck. Die Nutzung geht stetig zurück, die alles finanzierenden Werbeeinnahmen schmelzen. Die Szene hat mit umfassender Kostensenkung reagiert. Branchenweit – und nicht nur bei Paradiso – ist der Wortanteil deshalb auf 20 Prozent gesunken, die Mainstream-Mucke regiert. Zwölf Sender arbeiten mit Gewinn, acht machen Verlust. Und als wäre der Markt nicht brutal genug, macht das Lizenz- und Kontrollorgan das Überleben schwer. Bunt ist nur die Theorie privaten Radiomachens. Die Praxis ist grau.

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