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Meinung: Raubritter aus Bayern

Man muss sich Markus Söder wie einen mittelalterlichen Krieger vorstellen. Das Schwert gezückt, stets bereit, sich in die nächste Schlacht zu stürzen – und doch zugleich darauf bedacht, nie den Heldentod zu sterben.

Von Robert Birnbaum

Man muss sich Markus Söder wie einen mittelalterlichen Krieger vorstellen. Das Schwert gezückt, stets bereit, sich in die nächste Schlacht zu stürzen – und doch zugleich darauf bedacht, nie den Heldentod zu sterben. Gerade ist der bayerische Gesundheitsminister wieder zu Felde gezogen. Der kurze Ausritt zu Besuch beim FDP-Kollegen Philipp Rösler in Berlin hinterlässt wüstes Land.

Die größten Schäden sind auf heimischem Boden zu besichtigen. Söder hat mit seinem „Konzept“ zur Gesundheitsreform – der Presse vorab durchgesteckt, intern nicht abgestimmt, dem CSU-Präsidium ohne Debatte kurz hingeworfen und der CSU-Landesgruppe gar nicht erst übermittelt – wieder mal die eigenen Leute düpiert. Beim ersten Mal hat sich Landesgruppenchef Friedrich „Querschüsse“ verbeten. Diesmal versucht es Friedrich mit dem Verkleinerungsglas: Er erklärt Söders „Konzept“ zur „Ideenskizze“.

Nun wäre das alles egal, ginge es bloß um einen Landesminister mit schlechten Manieren und Adrenalinüberschuss. Aber sein Parteichef Horst Seehofer lässt ihn gewähren und maßregelt die eigene Truppe in Berlin. Damit wird Söder von der Person zum Symptom. Der marodierende Raubritter handelt im Sinne seines Herrn.

Dahinter steckt ein konkretes und ein allgemeines Motiv. Konkret, in der Gesundheitspolitik, geht es um Horst Seehofers Glaubwürdigkeit. Der Mann ist einst lieber in die politische Verbannung gegangen als sich Angela Merkels Kopfpauschale zu beugen. Hinter den einen Moment, in dem er standhaft blieb, kann er nicht zurück. Er darf auch nicht den Anschein zulassen, dass Merkel durch eine von der FDP geöffnete Hintertür ihr Reformprojekt des Leipziger Parteittags doch noch umsetzt.

Der bundespolitisch noch etwas naive Rösler hat anfangs den Fehler begangen, so zu reden als wolle er genau diesen kompletten Systemwechsel. Damit lieferte er Seehofer/Söder selbst den Popanz, auf den sie seither einprügeln. Mit den Abreden im Koalitionsvertrag hat das alles nichts zu tun. Die sehen einen Systemumbau vor – was Söder einfach ignoriert –, aber nur in sehr bescheidenem Rahmen.

Womit wir beim allgemeinen Motiv der bayerischen Quertreiberei wären. Bei Merkel und Teilen der CDU stellt sich nach diesem ersten halben Jahr die Frage, ob sie Schwarz-Gelb wirklich wollen. Bei Seehofer stellt sich die Frage nicht. Der CSU-Chef hat kein Interesse an Erfolgen der FDP in Berlin, die er in Bayern am liebsten los wäre. Beide Koalitionen sind ihm nicht Wunschbündnis, sondern lästiger Zwang. Über beide stimmt der Wähler das nächste Mal im Herbst 2013 praktisch zeitgleich ab.

Diese antikoalitionäre Zielrichtung allerdings macht aus dem CSU-internen Streit eine Herausforderung für Merkel. Die CDU- Chefin hat im Fall des marodierenden römischen Legionärs Westerwelle gezeigt, dass sie den dosierten Ordnungsruf beherrscht. Bei den raubritternden bajuwarischen Parteibrüdern ist er genauso fällig. Allein schon den CDU-Wahlkämpfern in NRW zuliebe.

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