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Meinung: Rechnung in Teilbeträgen

Warum sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht schnell kitten lassen

Peter Struck ist ein patenter Mann. Eines aber wird auch er nicht schaffen: das deutsch-amerikanische Verhältnis in fünf Minuten zu kitten. Diese Ankündigung vor dem Besuch beim Amtskollegen Rumsfeld müsste als großspurig bezeichnet werden, verwiese sie in ihrer Struck’schen Schnoddrigkeit nicht auf tiefer Gehendes. Nämlich auf Hilflosigkeit. Es zementiert sich etwas im transatlantischen Verhältnis. Und die Politik sieht sich immer weniger in der Lage, noch ist sie sonderlich willens, dagegen etwas zu tun.

Ganz oben verbreitert sich die Kluft, weil niemand sich bemüht, sie zu überbrücken. Das persönliche Verhältnis von Präsident Bush und Kanzler Schröder zueinander ist keines. Bush hatte mal die Illusion, einen Draht zum deutschen Kanzler zu haben, „mit ihm zu können“. Das war vor genau einem Jahr, als er Berlin besuchte. Seitdem hat sich so ziemlich alles geändert, was beider Verhältnis zueinander ausmacht. Heute klebt an der Beziehung Bush-Schröder das Etikett „unrettbar“.

Wie ganz oben, so ganz unten. Eine der bleibenden Lehren aus dem Irak-Krieg dürfte sein, dass das Misstrauen vieler Europäer gegenüber den Motiven amerikanischer Außenpolitik sehr, sehr tief reicht. Eine Generation junger Deutscher wächst heran, die überzeugt ist, dass der angeblich völkerrechtswidrige Krieg der USA gegen den Irak – eine Auslegungssache für Völkerrechts-Profis – die üblen Interessen des Hegemons belege. Politiker, die sich dagegenstellen wie Angela Merkel zahlen einen hohen Preis. Drum tut kaum einer, was sie versuchte.

Und jetzt, da der Irak-Krieg vorüber ist, und eine Spur peinlicher Berührtheit bei jenen da sein müsste, die hunderttausende Tote und eine Weltregion vor der Apokalypse als sicher ansahen, jetzt also gewinnt ein anderes Amerika-Klischee wieder die Oberhand. Egal, wer am 1. Mai sprach: Applaus gab es für jeden, der „amerikanische Verhältnisse“ geißelte. Die Abneigung vieler trifft also nicht nur konkret die Bush-Regierung. Ungezügelte Globalisierung, allzu freie Marktwirtschaft: Wer innenpolitische Reformen fürchtet, redet sich gern ein, die USA bewiesen ja, wie schlimm es sich unter einer solchen Ordnung lebe. Und wer Reformen will, versichert zumindest, so schlimm wie in Amerika werde es trotz allem nicht.

Hoffnung kann man aus der Mittelebene schöpfen, von dort, wo viel praktische Arbeit geleistet wird. Etliche Minister-Duos arbeiten weiter, als gäbe es das völlige Unverständnis der Herren Bush und Schröder füreinander nicht. Am engsten kooperieren wohl die beiden für die innere Sicherheit Zuständigen, Otto Schily und John Ashcroft. Falls Colin Powell bald nach Berlin kommt, wird es auch von ihm und Joschka Fischer Bilder geben, die fälschlicherweise atlantische Versöhnung suggerieren.

Dabei wird die Zerrüttung ganz woanders Spuren zeitigen. Eines der größten Probleme sind die US-Parlamentarier. Die scheren sich keinen Deut um jene Konzilianz, die das Weiße Haus und das State Department erbitten. Die machen Gesetze. Solche, die deutsche Firmen von gigantischen Ausschreibungen der US-Regierung aussperren. Solche, die richtig Geld kosten. Die US-Abgeordneten tun dies nicht aus Böswilligkeit und zwecks Nachtreterei. Sie tun es als Reflex. Auf die Stimmung, die sie in ihren Wahlkreisen spüren. Dort, wo noch nicht ausgemacht ist, wer seit August 2002 nun der Bösere war, Paris oder Berlin.

Die Rechnung kommt in Teilbeträgen. Und weiß Gott nicht nur in der Außenpolitik.

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