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Regierung in Pakistan: Wie in Schockstarre

Blutige Hetzjagd auf Liberale und religiöse Minderheiten: In Pakistan gewinnen die Islamisten immer mehr Einfluss – und der Westen schaut zu.

Während sich die Menschen in Kairo für Freiheit und Demokratie erheben, scheint ein anderes muslimisches Land den entgegengesetzten Weg einzuschlagen: Im südasiatischen Pakistan werden die Islamisten immer mächtiger, extremistisches Gedankengut wird zusehends salonfähig.

Die blutige Hetzjagd auf Liberale und religiöse Minderheiten erreichte nun einen neuen traurigen Höhepunkt, als der christliche Minister für Minderheiten, Bhatti, auf offener Straße erschossen wurde – nur zwei Monate nach seinem Parteikollegen Salman Taseer. Beide Männer waren Wortführer der Liberalen und Kritiker des Blasphemie-Gesetzes, mit dem vor allem angebliche Beleidigungen des Islam verfolgt werden.

Offiziell ist Pakistan eine Demokratie, wenn auch eine arg fehlerhafte, und hat eine gewählte Regierung. Doch immer mehr scheinen sich die Radikalen zu den wahren Herren des Landes aufzuschwingen. Mit ihren Todeskommandos und ihren Krawallen errichten sie ein Regime des Schreckens, eine Religionsdiktatur der Straße. Ungestraft können Hass-Mullahs zu Morden aufrufen, während Liberale und Minderheiten wie Hindus, Christen, Sikhs oder Ahmadis um ihr Leben bangen. Und die labile Regierungskoalition unter Führung der Bhutto-Partei PPP scheint beinahe kampflos zu kapitulieren. Fast tatenlos sieht sie zu, wie das Land immer mehr in Anarchie und Chaos abgleitet. Statt den Radikalen die Stirn zu bieten, wirken die Regierenden wie in Schockstarre, gelähmt und handlungsunfähig. Präsident Asif Ali Zardari, ein Protegé der USA, traute sich nicht einmal mehr zum Begräbnis seines langjährigen Weggefährten Taseer.

Lange beruhigte sich der Westen damit, dass die schweigende Mehrheit der Pakistaner nicht radikal ist. Doch dieses Bild wankt nun gefährlich. Tatsächlich scheint der Extremismus tief in die Gesellschaft eingedrungen zu sein. Fast 50 Prozent aller Studenten vertreten laut Umfragen islamistisches Gedankengut. Nach der Ermordung Taseers feierten Zehntausende den Mörder auf den Straßen als Helden. Zugleich erreicht der Hass auf Amerika immer neue Höhen. Dass die Taliban demnächst die Macht und damit die Kontrolle über die Atomwaffen an sich reißen, ist zwar kaum mehr als eine westliche Angstphantasie. Das verhindert noch Pakistans mächtiges Militär. Doch dass islamistische Parteien in den nächsten Jahren bei Wahlen legal die Regierung übernehmen, ist inzwischen nicht mehr undenkbar.

Das bitterarme, ethnisch und religiös tief gespaltene Land ist auf einer gefährlichen Schussfahrt. Und das sollte den Westen alarmieren. Auch ein islamistisches Pakistan würde die Welt nicht mit einem Atomkrieg überziehen. Doch die USA und Europa können es sich nicht leisten, Islamabad als Verbündeten zu verlieren. Pakistan spielt schließlich eine Schlüsselrolle in der gesamten Region. Dazu dürfen die USA das Land nicht nur als Instrument im Afghanistankonflikt behandeln – sondern als politischen Partner. Solange das Land dazu noch bereit ist.

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