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Gewitter über der Akropolis in Athen.

© dpa

Regierungskrise in Griechenland: Der einsame Samaras wird einsamer

Die Koalition in Athen wackelt: Damit setzt ein gefährlicher Erosionsprozess ein, der die Handlungsfähigkeit der Regierung einschränkt und die Euro-Krise mit aller Wucht wieder aufbrechen lassen könnte.

Dabei schien es gut zu laufen. Athen meldete Fortschritte bei der Konsolidierung der Staatsfinanzen, vom Euro-Austritt war nicht mehr die Rede. Das Vertrauen der Finanzmärkte begann zurückzukehren, abzulesen an fallenden Risikozuschlägen für Staatsanleihen. Und dann das: Aus vermeintlicher Stabilität droht das Land unvermittelt ins Chaos abzustürzen.

Die vom konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras gegen den Einspruch seiner beiden Koalitionspartner angeordnete Schließung des Staatsfunks ERT erschüttert jetzt die Fundamente der vor genau einem Jahr gebildeten Dreiparteienkoalition. Der Chef der Demokratischen Linken (Dimar), Fotis Kouvelis, sah jetzt die Chance zum Ausstieg aus einer Koalition, in der er und viele seiner Parteifreunde sich unwohl fühlten. Den Sparkurs, der Griechenland von den Geldgebern diktiert wird, trug die Dimar nur zähneknirschend mit. Hinzu kommt die Neigung von Samaras zu einsamen Entscheidungen. Die kleinen Koalitionspartner, Kouvelis und Pasok-Chef Evangelos Venizelos, fühlen sich häufig übergangen.

Möglicherweise hat Samaras den politischen Sturm unterschätzt, den er mit der Schließung von ERT auslöste. Er hätte seine Partner früher und intensiver konsultieren müssen. In der Sache bleibt die Entscheidung dennoch richtig. Wer darin, wie manche europäische Kommentatoren, einen Angriff auf die Meinungsvielfalt sieht, kennt die Verhältnisse in Griechenland nicht. Jahrzehntelang missbrauchten die jeweiligen Regierungsparteien ERT als Versorgungsanstalt für verdiente Funktionäre und linientreue Journalisten. ERT war keine griechische ARD oder BBC, sondern ein Paradebeispiel für Intransparenz, Vetternwirtschaft und Verschwendung im öffentlichen Dienst.

Hier liegt eine der Ursachen der Schuldenkrise des Landes, die auch eine Krise seiner Institutionen ist. Gerade die Linksparteien zeigen aber wenig Bereitschaft, diese Strukturen anzutasten. So sträubt sich die Dimar gegen die Vorgabe der Troika, bis Ende nächsten Jahres 15 000 Stellen im aufgeblähten Staatsdienst zu streichen – weil die Staatsbediensteten Kernklientel seiner Partei sind.

Samaras kann auch ohne die Dimar-Abgeordneten weiterregieren, sofern die Pasok bei der Stange bleibt. Die Mehrheit der Koalition schmilzt allerdings auf 153 der 300 Stimmen im Parlament. Komfortabel ist das nicht, zumal in den nächsten Monaten über die kontroversen Stellenstreichungen im Staatsdienst und andere Einsparungen zu beschließen ist.

Die Dreiparteienkoalition hat unter schwierigen Verhältnissen und trotz beträchtlicher ideologischer Differenzen länger durchgehalten als viele Beobachter vor einem Jahr erwarteten. Aber mit dem Ausscheiden der Dimar setzt ein gefährlicher Erosionsprozess ein, der die Handlungsfähigkeit der Regierung einschränkt und über kurz oder lang zum Bruch der verbliebenen Zweiparteienkoalition führen könnte. Dann würde die Euro-Krise mit aller Wucht wieder aufbrechen – nicht nur in Griechenland.

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