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Meinung: Reich und sexy

Nur mit Sparen löst Berlin die Finanzkrise nicht – die Unternehmen müssen heimkehren

Was tun, wenn man ein Ziel nicht erreichen kann? Weitermachen, weil es ein gutes Ziel ist, oder sich nicht mehr drum scheren: Vor dieser Alternative steht Berlin nach der gescheiterten Verfassungsklage. Denn 60 Milliarden Euro Schulden kann die Stadt nicht zurückzahlen, so viel ist klar. Klaus Wowereit hat sich gegen einen schärferen Sparkurs entschieden, er redet von neuen Schulden statt Tilgung. „Weil wir keinerlei Hilfe bekommen, sind wir jetzt völlig frei in unserem Handeln.“

Man mag dem Regierenden vorhalten, dass Berlin sehr wohl Hilfe bekommt, zum Beispiel über den Länderfinanzausgleich. Man mag ahnen, dass Wowereit sich in seinem Handeln auch deswegen frei fühlen kann, weil erst einer seiner Nachfolger die finale Haushaltsnotlage erleben wird. Aber wahr ist auch, dass selbst radikalste Sparvorschläge die Finanzkrise nicht in ein paar Jahren lösen werden. Was den Deutschen denn ihre Hauptstadt wert ist, wird da gerne moralisierend gefragt. Aber Edmund Stoiber und Roland Koch werden Berlin ebenso wenig retten wie die Studenten anderer Bundesländer.

Mag sein, dass die Berlinförderung zu schnell wegfiel oder dass in der Ära Diepgen Fehler gemacht wurden – die Ursache der Misere liegt im industriellen Niedergang Berlins. Einst hatten die größten deutschen Unternehmen selbstverständlich ihren Sitz in der Hauptstadt. Was nach dem Krieg noch übrig war, verschwand in den Jahren der Teilung Richtung Wirtschaftswunderwestdeutschland.

Um sein Einnahmeproblem zu lösen, braucht Berlin mehr Wertschöpfung. Das heißt: Es müssen sich mehr Unternehmen ansiedeln. Doch leider wird aus einer guten Idee selten über Nacht ein Weltkonzern – und deswegen muss Berlin nicht nur Gründer umwerben, sondern die Rückkehr seiner Unternehmen einfordern.

Lachhaft? Naiv? Sicher, die Deutsche Bank wird nicht zurückkommen – eher zieht sie nach London um. Aber dass die Idee einen Versuch wert wäre, zeigen zwei Beispiele. Erstens: Siemens gehört nach Berlin. Der große deutsche Industriekonzern sollte wieder in der größten deutschen Stadt zu Hause sein. In Berlin wurde er gegründet, in Berlin unterhält er seine weltweit größte Produktionsstätte. Dass Vorstandschef Klaus Kleinfeld inzwischen für moralische Argumente zugänglicher ist, zeigen die Beispiele BenQ und BSH. Wie strahlend stünde er da, wenn er die Zurückverlegung der Siemens-Zentrale nach Berlin bekanntgäbe, um einen Beitrag zur Rettung der Hauptstadt zu leisten? Nebenbei könnte Siemens seine Personalkosten senken, denn der Lebensunterhalt ist in Berlin viel billiger als in München.

Zweitens: Die Lufthansa, derzeit zwischen Frankfurt und Köln zersplittert, könnte sich an Berlins neuem Großflughafen niederlassen. Arm und sexy ist gut, reich und sexy ist besser.

Seiten 1, 6 und 9

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