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Meinung: Respekt muss man leben

Das Todesurteil in Nigeria schadet dem Ansehen des Islam

Von Stephanie Nannen

Die Scharia-Richter haben ein Exempel statuiert. Mit der Bestätigung des Urteils gegen Amina Laval, nach dem die 30-Jährige zu Tode gesteinigt werden soll, widersetzen sich die vier Richter im Bundesstaat Katsina der nigerianischen Verfassung und verstoßen gegen die Menschenrechte. Laval war im März diesen Jahres in erster Instanz verurteilt worden, weil sie nach ihrer Scheidung ein Kind gebar. Für Unverheiratete ist der Geschlechtsverkehr nach islamischer Rechtsprechung verboten und wird mit dem Tod bestraft.

Das Urteil ist politisch motiviert: Es wendet sich gegen die Aufweichung der islamischen Sitten und der Gesetze der Scharia im Norden Nigerias. Gleichzeitig untergräbt es die Macht der Bundesregierung und die des christlichen Präsidenten Olusegun Obasanjo. Zwar hatte Obasanjo die Urteile der muslimischen Regionalstaaten schon seit der Einführung der Scharia dort vor drei Jahren verurteilt, gleichzeitig aber aus Furcht vor neuen Ausschreitungen zwischen Muslimen und Christen Zurückhaltung bewahrt. Auch jetzt wird der Präsident, dem in der vergangenen Woche das Misstrauen im Unterhaus des Parlaments ausgesprochen wurde, sich nicht auf einen Machtkampf einlassen.

Auf das Urteil gegen Amina Laval folgte ein Aufschrei, erwartungsgemäß aus der westlichen Welt und von Menschenrechtsorganisationen oder Frauenverbänden. Aus der arabischen Welt war hingegen kaum etwas zu hören: Den wichtigsten arabischen Zeitungen war das Verfahren höchstens eine Kurzmeldung wert. Unser Verständnis für die muslimische Kultur fördert das nicht.

Zwar ist in der westlichen Welt – spätestens seit den Ereignissen am und nach dem 11. September 2001 – das Interesse an anderen Religionen, besonders dem Islam, deutlich gewachsen. Aber es fällt schwer, den Islam als gleichberechtigte Glaubensrichtung wahr- und anzunehmen, wenn brutale Tötungsweisen als Strafen für – zumindest aus hiesiger Sicht – geringe Vergehen zu diesem Glauben gehören. Es fällt schwer, zumal wenn man weiß, dass so genannter Ehebruch bei Männern und Frauen auf unterschiedliche Weise geahndet wird.

Dass der Islam unterschiedliche Interpretationen zulässt, die in den verschiedenen muslimischen Ländern zu gänzlich anderen Wirklichkeiten führen, vermittelt sich dem Westen kaum. Um eine Annäherung und Verständnis zwischen den Religionen zu erreichen, müssten sich die islamischen Staaten, oder zumindest deren Öffentlichkeit, stärker abgrenzen von jenen menschenverachtenden Regelungen. Respekt vom Westen einzufordern, ihn aber nicht mal den eigenen Frauen und Männer zuzubilligen – das geht nicht auf. Nie.

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