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Meinung: Riesters Rentenreform: Leitartikel: Am Ende siegt das Blümsche Gesetz

Die rot-grüne Koalition kann sich drehen und wenden, wie sie will. Mit ihrem Vor und Zurück bei den Rentenplänen von Arbeits- und Sozialminister Walter Riester verspielt sie den Eindruck, den Reformstau in Deutschland weiter aufzulösen.

Die rot-grüne Koalition kann sich drehen und wenden, wie sie will. Mit ihrem Vor und Zurück bei den Rentenplänen von Arbeits- und Sozialminister Walter Riester verspielt sie den Eindruck, den Reformstau in Deutschland weiter aufzulösen. Wo Finanzminister Hans Eichel bei der Steuerreform im Sommer fast alles gelang, geht Riester im Herbst mit der Rente fast alles schief. Jetzt haben die Fraktionen von SPD und Grünen den Gesetzentwurf nach einer Krisensitzung zwar auf den parlamentarischen Weg gebracht, doch jeder weiß, dass der Druck auf Riester groß ist, seine Pläne in zentralen Punkten noch einmal zu ändern.

Der Minister hat in den letzten Wochen schon so viele überraschende Wenden gemacht, dass ihm in den harten Wochen der parlamentarischen Beratung kaum mehr Stehvermögen zuzutrauen ist. Dabei ist Riester durchaus anspruchsvoll gestartet. Die Grundzüge seiner Reform bedeuten für die Sozialpolitik einen tiefen Einschnitt. Dass der Minister die private Zusatzrente einführen und staatlich fördern will, ist nahezu revolutionär. Es ist der erste Versuch, auf das Problem zu reagieren, dass immer weniger Junge immer mehr Alte zu versorgen haben. Doch die Regierung belastet die Jüngeren mit ihrer Reform gleich doppelt. Sie müssen privat vorsorgen, gleichzeitig drohen ihnen aber die stärksten Abschläge bei der gesetzlichen Rente. Wer heute bereits Rentner ist, kommt dagegen vergleichsweise ungeschoren davon.

Gerecht ist das nicht. So hat Riester fast alle gegen sich aufgebracht. Die Opposition verweigert ihm den Rentenkonsens, die Rentenversicherer halten die Reform für unsolidarisch, die Linken in der SPD-Fraktion lehnen die Pläne ab, und die Gewerkschaften laufen Sturm dagegen. Wer solchen Druck aushalten will, muss starkes politisches Gewicht haben. Doch Riester hat in der eigenen Fraktion keine Hausmacht, auch nicht in der SPD. Es ist ihm nicht gelungen, die Notwendigkeit der Reform plakativ verständlich zu machen. Und dann hat der Minister noch den fatalen Fehler gemacht, mit der von Eichel erzwungenen Verschiebung der Förderung für die Privatvorsorge den Kanzler bloßzustellen.

Dass Schröder von der Verschiebung nichts wusste, dass dem Kanzleramt gesagt worden war, es handele sich lediglich um eine technische Feinabstimmung, hat schlimme Folgen. Es ist der durchsichtige Versuch, die unangenehmen Seiten der Reform auf die Zeit nach der Bundestagswahl 2002 zu verschieben. Zwar wird mit dem Aufbau der Privatvorsorge im Wahljahr begonnen, der Rentenanstieg aber erst ein Jahr später gekappt. Die Regierung riskiert damit, dass die Jungen die üppigeren Erhöhungen für die Rentner 2002 mit höheren Beiträgen zahlen müssen.

Es geht um die Glaubwürdigkeit der ganzen Reform, wenn die Grünen bei der SPD erst nach einem handfesten Koalitionskrach eine vage Absichtserklärung durchsetzen können, dass eine weitere Lastenverteilung zu Ungunsten der jüngeren Generation verhindert werden soll. Es rächt sich jetzt, dass Rot-Grün den von Riesters Vorgänger Norbert Blüm eingeführten demographischen Faktor um jeden Preis abschaffen wollte. Zwar hat die SPD damit 1998 die Wahl gewonnen, die Probleme der Alterssicherung aber nicht gelöst. Was Riester als Ersatz vorschlägt, ist nicht besser. Aber er muss eine Reform durchsetzen, ganz gleich wie sie am Ende aussieht. Gelingt ihm das nicht, tritt 2002 wieder das Blümsche Gesetz in Kraft. Weil jeder weiß, dass die Altersversorgung neu geregelt werden muss, hat Rot-Grün es nur ausgesetzt, nicht aufgehoben.

Carsten Germis

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