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Meinung: Robinson bucht selbst

Ein Gewerbe im Wandel: Wer billigen Urlaub will, geht nicht mehr ins Reisebüro

Kaum atmet die Reisebranche wieder auf, kommt die nächste Katastrophe: Die Anschläge in Spanien werden viele, die in diesem Jahr endlich wieder verreisen wollten, verschrecken. Die Menschen werden es sich wieder genau überlegen, ob sie in ein Flugzeug steigen wollen, um ins Ausland zu reisen. Und all die schönen Pläne der Branche, in diesem Jahr wieder durchzustarten, sind nun gefährdet.

Dabei haben Tui, Thomas Cook und Co ohnehin genug Probleme – mit sich selbst. Das Geschäft mit den Reisen hat sich nämlich grundlegend verändert – und zwar unabhängig von Terror, Krieg oder Konjunktur.

Die Zeiten, in denen der Tourist vom Reisebüro und Veranstalter abhängig war, sind vorbei. Heutzutage kann man sich Informationen über alles und jeden selbst zusammensuchen – das gilt auch für ferne Länder, für Hotels, Leihwagen oder Flüge. Im Internet oder am anderen Ende der Telefonleitung sind die Auskünfte jederzeit verfügbar. Warum für den Service im Reisebüro zahlen, wenn der noch nicht einmal besser ist? Warum ein vorgegebenes Paket buchen, wenn man sich alles nach eigenem Gusto selbst zusammenstellen kann?

Die Billigflieger sind diejenigen, die sich dies zunutze gemacht haben. Sie sind die Gewinner des vergangenen Jahres: Während die Konzerne und die traditionellen Fluggesellschaften über schwindende Passagierzahlen klagten, freuten sich Ryanair, Hapag-Lloyd Express oder Air Berlin über die vielen Fluggäste, die mit ihnen die gleichen Ziele ansteuerten wie zuvor mit den Charterfliegern der Konzerne. Das Hotel bucht man sich dazu, den Mietwagen auch – und zwar alles nach den eigenen Vorstellungen. Und nicht nach der Aufschlagpreistabelle eines Reiseveranstalters. Die gute Nachricht dabei ist: Das individuelle Reisen wird billiger. Immer weniger wollen zusammen mit einer Gruppe von 250 Leuten um vier Uhr morgens im Flughafen sitzen, um dann am Ziel zusammen in das gleiche Hotel gekarrt zu werden – und nach exakt sieben Tagen wieder zurückzufliegen. Für all diejenigen, die Zugang zu den nötigen Informationen haben und den Zeitaufwand betreiben wollen, ist es möglich geworden, sich eine individuelle Reise zusammenzustellen, ohne dass diese gleich ein Luxusprodukt wäre.

Die schlechte Nachricht: Für Menschen, die beim Buchen Hilfe brauchen, wird die Sache künftig teurer. Wer in ein Reisebüro geht und dort seine Reise zusammenstellen lassen will, wird schon bald mehr dafür bezahlen müssen als heute. Beratung wird es nicht mehr zum Nulltarif geben.

Das alles hat die aktuelle Krise der Branche verdeckt. Die Reisekonzerne waren so sehr damit beschäftigt, ihre Überkapazitäten zu verramschen, ihre Kosten zu drücken und über ein Geflecht von Rabatten und Kleingedrucktem wenigstens ein bisschen Geld zu verdienen, dass sie diese Entwicklung erst jetzt erkennen und auch für sich nutzen.

Dazu aber müssen sie das Vertrauen ihrer Kunden wieder gewinnen. Viele Menschen sind bereit, Geld dafür auszugeben, dass ein anderer ihnen die Mühe abnimmt, das optimale Hotel auszuwählen und den dazu passenden Flug. Aber dann will man auch wissen, dass man seine früh gebuchte und teuer bezahlte Reise nicht als Last-Minute-Angebot für die Hälfte des Preises wieder findet.

Bis gestern waren die Konzerne optimistisch, dass es in diesem Jahr wieder besser läuft. Unabhängig davon, wie sich die Anschläge von Madrid auf die Angst der Urlauber auswirkt: Die Branche darf diesmal nicht vergessen, dass sie noch ein paar Probleme mehr zu lösen hat.

Flora Wisdorff

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