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Sarah Palin: Die Frau, die aus der Kälte kam

Entzücken oder Entsetzen? Sarah Palin beschäftigt Amerikas Feministinnen. Im weltweiten Netz tobt der Geschlechterkampf.

Von Caroline Fetscher

Oh Mann, was für eine Frau. Aus Alaska kommt sie, ein waschechtes Flintenweib. Karibus oder Wölfe schießt Sarah Palin aus dem Helikopter ab. Auf Ökologen und Klimaschützer reagiert sie unsentimental. Aus den Öl- und Erdgaserträgen des nördlichen US-Bundesstaates zweigte die 44-jährige Senatorin Alaskas Steuergeschenke für ihre Bürger ab. Überhaupt, mit Pipelines ist Palin vertraut, jene Unbekannte, die unlängst von ihrer Partei in die mächtige Pipeline nach Washington geschoben wurde, um über Nacht berühmt zu werden. Am anderen Ende der Kampagnen-Röhre soll sie als Vizepräsidentin des Republikaners John McCain herauskommen.

Haben wir dafür gekämpft?, fragen sich Tausende von Amerikas Feministinnen. In Familiendingen verwendet die Mutter von fünf Kindern einen Stoff, der Frömmigkeit mit Pragmatismus zusammenklebt, ihre „wonderful children“ wachsen mit strikt republikanischen Werten auf. Verhütung kommt nicht in die Tüte, Abtreibung ohnehin nicht. Wird die Tochter mit siebzehn schwanger, dann heiratet sie eben den Boyfriend. Die Politik, das Leben – alles ganz handgreifliche Sachen für Palin, die es unbeschwert von Theorie und Grübelei anzupacken gilt, aktiv und praktisch, wie es sich für eine beruflich expandierende Hausfrau gehört.

Dass das Leben auf der Erde allein mit Darwins Evolutionstheorie erklärt werden sollte, ist ihr ein Gräuel. Zu schön ist Gottes Schöpfung, meint die ehemalige Schönheitskönigin, als dass sie auf solchen Materialismus reduziert werden könne. Über Homosexuelle will Palin, um Himmels Willen, gar nicht erst sprechen. Gewiss, Außenpolitik ist nicht ihre Stärke, den Heimatschutz hingegen hält sie hoch. Dass man „von Alaska aus Russland sogar sehen kann“, so nah liegt die Küste des Nachbarn, das weiß auch sie, offenbarte die Frau vor ein paar Tagen dem Mann des Senders ABC, der sie als Erster interviewen durfte.

Als Sarah Palin im Wahlkampf wie das Kaninchen aus dem Hut gezaubert wurde, durch Zufall zeitgleich mit dem Wirbelsturm „Gustav“, blies ihr Auftritt nicht nur das Team des Demokraten Barack Obama vorübergehend von der Bühne. Kalt erwischt hat Palin auch Amerikas Feministinnen, die sich eben noch schweren Herzens von ihrer Kandidatin Hillary Clinton verabschiedet hatten, und sich nun konfrontiert sahen mit dieser Frau. „Falsche Frau, falsche Botschaft!“, wettert Gloria Steinem in der Los Angeles Times. Steinem ist Gründerin und Herausgeberin des amerikanischen feministischen Magazins „Ms.“. Einerseits, meint sie, sei die gute Nachricht, dass Frauen inzwischen so unbestreitbar ihren Platz in der Politik erobert haben, dass „sogar die anti-feministische Rechte“ nun nicht umhin kann, auch Frauen zu nominieren. In den USA, wo noch 80 Prozent der Gouverneure und Kongressmitglieder männlich sind, beginnt ein Erwachen bei den Republikanern. Andererseits, so Gloria Steinem, folge die Palin-Story dem alten Muster, wonach mächtige Männer minder qualifizierte Mädchen in ihr Boot holen, die zwar kosmetisch die Quote erhöhen, aber dem Patriarchat nach dem Mund reden. Doch die noch bessere Botschaft lautet nach Steinem: „So wird es nicht klappen!“ Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, eine falsche Schwalbe erst recht nicht.

„Haben die Evangelikalen die sexuelle Revolution akzeptiert?“, fragte Naomi Schaeffer Riley im Wall Street Journal, und antwortet: „Yes and no“. Denn es ist ein politischer Zwitter, eine ideologisch hybride Mischung, mit der Amerikas Frauenfront es hier zu tun bekommt. Schockiert spricht die Autorin Cintra Wilson von der „ideologischen Gehirn-Vergewaltigung“, die Palins Mix aus Konservativismus, Kindern und Karriere repräsentiere.

Von einem „Triumph des Feminismus“, wie die US-Ausgabe des Magazins „The Economist“ schrieb, ist all das weit entfernt. Und dennoch: Diesen kühnen Schachzug hätte sie dem alten McCain nie zugetraut, staunte die bissige Kulturhistorikerin Camille Paglia im Webmagazin „salon.com“ zwischen Entsetzen und Verblüffung. Palin sprechen zu hören, warf sie „fast vom Stuhl“. Es war, „als würde man einen Boxkampf sehen oder eines der Leuchtschwert-Duelle in Star Wars“. Seit der Erfindung des Popstars Madonna, vermutet Paglia, habe der Feminismus in Amerika keinen riesigeren Schritt als diesen gemacht. Dennoch wird Paglia offenbar Obama wählen. Daneben formiert sich eine Frauenfraktion, die ganz manifest auf Palins Seite gezogen wird. Wie sich Alice Schwarzers „Emma“ nach der Devise „Hauptsache Frau“ für eine Kanzlerin Merkel starkgemacht hatte, sieht diese Gruppe den Fortschritt in der Frau als Frau: „PUMA“, (Party Unity My Ass) nennt sich die ehemaligen Hillary-Clinton-Unterstützerinnen, die offensiv umschwenkten.

Explizit gegen Palin schreit es von der eigens neu eingerichteten Website womenagainstpalin.com. „Lasst euch nicht täuschen!“ warnt der Slogan die Besucherinnen eindringlich. McCains Aufstellen von Palin sei „eine Beleidigung“ für Frauen. Punkt für Punkt zerlegen die Macherinnen per Faktencheck Reden und Praxis der Kandidaten McCain/Palin, den Widerstand der Republikaner gegen gleichen Lohn für Frauen und andere abschreckende Beispiele.

In der Ära des weltweiten Netzes tobt dieser Geschlechterkampf – das heiße Match um die Frau, die aus der Kälte kam, vor allem online via Blogs und Websites, als weiterer Beleg dafür, dass Frauen mithilfe einer fast ausschließlich von Männern erfundenen Technik kämpfen gelernt haben. Füreinander wie gegeneinander.

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