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Sat.1: Der Bulle geht nach Tölz

Sat.1 verlässt Berlin: Zur Fernsehstadt ist die Hauptstadt nie geworden. Der Umzug nach München folgt indes einem Spardiktat, das den Sender nur zugrunde richten kann.

In diesem Frühjahr ist „Bild“ von Hamburg in die Hauptstadt gezogen. „Der Spiegel“ und „Die Zeit“ sind in Hamburg geblieben. Jetzt erfahren Berlin und Berliner Politik, dass 350 Mitarbeiter des Fernsehsenders Sat 1 im Frühjahr nach Unterföhring bei München ziehen sollen. Das ist die Umkehrung der Frühjahrsprozession: Kam „Bild“ zum Stammsitz des Axel-Springer-Konzerns, so wird der wesentliche Betriebsteil von Sat 1 zur Zentrale von Pro Sieben Sat 1 wandern.

Unterm Strich ein Nullsummenspiel für Berlin? Es ist mehr, natürlich, es ist das endgültige Festschreiben der Tatsache, dass die Hauptstadt nicht die Fernsehhauptstadt der Republik ist. So wenig der Weggang des in Berlin gegründeten Nachrichtensenders n-tv zur RTL Group nach Köln verhindert werden konnte, so wenig werden die Drohgebärden aus dem Roten Rathaus das Verschwinden des einzigen in Berlin ansässigen nationalen Vollprogramms aufhalten. Was der Hauptstadt bleibt: der Regionalsender RBB, die Videoabspielmaschinen MTV und Viva und eine Vielzahl an bedeutenden Hauptstadtstudios und -büros. Hier ist die Hauptstadt, hier ist die Nachrichtenzentrale, hier sind Politik, Party, Prominenz – und Produktion.

Die Studios und die anhängigen Dienstleister in Berlin und Babelsberg sind das eigentliche Potenzial. Als boomender Standort für die Film- und Fernsehwirtschaft zeigt sich die Region stark – und darum sollte der Senat kämpfen, den Weggang nicht nur bedauern: Sind die Zentralen verschwunden, werden die Produktionsaufträge auch dorthin vergeben, wo die Zentralen sind. Weit weg von Berlin-Brandenburg.

Auch der Abschied mehrerer hundert Sat-1-Mitarbeiter ist eine Nebenwirkung. Sat 1 bildet mit den Sendern N 24, Pro Sieben, 9 Live und Kabel 1 die Fernseh-AG Pro Sieben Sat 1. Diese gehört seit Ende 2006 den Private-Equity-Firmen KKR und Permira. Sie haben dem Konzern 3,7 Milliarden Euro als Schulden aufgebürdet. So sinnvoll das synergetische Zusammenführen der Sender unter einem Münchner Dach sein mag, so fragwürdig wird die Aktion, wenn sie nur unter dem Spardiktat und mit der Erwartung erfolgt, dass sich beim drohenden Wechsel von Berlin nach München der eine oder andere Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz sucht. Ein privater Fernsehsender ist keine Schraubenfabrik, er ist ein kompliziertes Gewebe aus Kommerz und Kreativität. Was aber macht Pro Sieben Sat 1 aus, wenn selbst für den Vorstandsvorsitzenden Guillaume de Posch, der Ende des Jahres gehen muss, kein Nachfolger gefunden werden kann? Keiner will Chef des größten deutschen Fernsehkonzerns werden? Brauchen die Eigentümer noch mehr Belege für das Misstrauen, das ihnen entgegenschlägt?

Finanzinvestoren wie KKR/Permira (Pro Sieben Sat 1) oder Mecom (Berliner Verlag) mögen eine Menge vom Geldeinsammeln verstehen, zu Fernsehunternehmern und Verlegern taugen sie nicht. Diese Erkenntnis wird just in der Hauptstadt gewonnen. Das ist bitter für Berlin, sehr viel bitterer ist es für die Mitarbeiter von Sat 1 und des Berliner Verlags.

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