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Meinung: Schlag nach bei Shakespeare

Von Hellmuth Karasek So schnell, so kurzentschlossen, so hart und so ohne jede garnierende Petersilienfloskel ist noch niemals ein Minister in der Bundesrepublik ins Aus gejagt, ja getreten worden wie Rudolf Scharping von seinem Bundeskanzler und Partei(vorstands)freund Schröder. Eine halbe Minute, genau: 39 Sekunden, dauerte es nur, bis Schröder aus dem Verteidigungsminister mit spröden Worten und ohne Kommentar einen Ex-Verteidigungsminister machte: ein neuer Geschwindigkeitsrekord an Undankbarkeit – und das gegenüber einem Politiker, der in seinem Habitus, seinen Sprech- und Gehgewohnheiten wie ein Erfinder oder mindestens Verteidiger der Langsamkeit wirkte, der lieber planschte, statt eilte, lieber trotzte als handelte.

Von Hellmuth Karasek

So schnell, so kurzentschlossen, so hart und so ohne jede garnierende Petersilienfloskel ist noch niemals ein Minister in der Bundesrepublik ins Aus gejagt, ja getreten worden wie Rudolf Scharping von seinem Bundeskanzler und Partei(vorstands)freund Schröder. Eine halbe Minute, genau: 39 Sekunden, dauerte es nur, bis Schröder aus dem Verteidigungsminister mit spröden Worten und ohne Kommentar einen Ex-Verteidigungsminister machte: ein neuer Geschwindigkeitsrekord an Undankbarkeit – und das gegenüber einem Politiker, der in seinem Habitus, seinen Sprech- und Gehgewohnheiten wie ein Erfinder oder mindestens Verteidiger der Langsamkeit wirkte, der lieber planschte, statt eilte, lieber trotzte als handelte.

„Bild" brachte es auf die schlüssige Schlagzeile: „Schröder bombt Scharping weg!" Und noch bei der Scharping-Verabschiedung und Struck-Ernennung beim Bundespräsidenten fiel der wortlose Abschiedshändedruck zwischen Schröder und seinem Opfer (das auch sein Dauer-Peiniger durch Peinlichkeiten geworden war) so kurz wie möglich aus – als hätte Schröder Angst vor einem elektrischen Schlag im Falle der Berührung. Die leisen Anerkennungsworte, die Rau für Scharping als Dank zum Abschied fand, wirkten angesichts Schröders Kälte umso lauter – als klagten sie eine mangelnde Tugend, zumindest eine gebotene Höflichkeit ein. Mag sein, wegen Scharpings larmoyanter Widerborstigkeit und selbstgerechter Abdankungsresistenz bis zum letzten Ministeratemzug schien es dem Kanzler geboten zu sein, so kurz und schmerzhaft zu handeln. Mag auch sein, dass die Erleichterung, ein Ende mit Schrecken an die Stelle eines Schreckens ohne Ende gesetzt zu haben, dem Kanzler nahe legte, so grob zu handeln. Und auch, dass er sich nach der Telekom-Affäre einmal als schneller, blitzschnell tatkräftiger Kanzler zeigen wollte, mag ihn zu diesem rüden Entlassung-Schlag ohne jeglichen Klimbim veranlasst haben.

Aber wird er jetzt als der schnellentschlossene Handelnde dastehen oder doch nicht eher als der kalte Machiavellist, der abräumt, was ihm im Wege ist, Menschen als lästigen Ballast abwirft, wenn sein Höhenflug gedrosselt scheint, ja der, nicht nur notfalls, sondern schon für den Ego-Trip der Ich-AG, über Leichen geht?

Und: Gebietet die politische Kultur nicht, einen, der dem Kanzler immerhin vier Jahre als Minister diente und das in einem Amt, das Scharping nicht gesucht hatte, mindestens mit Dank- und Anerkennungsworten zu verabschieden, und sei es nur, um mit Floskeln die Höflichkeit und den Anstand zu wahren?

Dankbarkeit, Anstand, Höflichkeit – das allerdings sind Sekundär-Tugenden, über die sich ein anderer der drei Brandt-Enkel, nämlich Oskar Lafontaine, gegenüber Helmut Schmidt spottend und zynisch lustig machte. Und so fällt einem, über den akuten Anlass hinausgehend, ein, wie die drei Enkel Brandts, nämlich Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping, als freundschaftliches Triumvirat gerühmt, lieber mit Gift und Dolch miteinander umgegangen sind, als dass sie ihre Beziehungen durch politische Tugenden wie Freundschaft, Anerkennung, Hilfsbereitschaft bestimmt hätten.

Scharping, der Schröder rüde als Wirtschaftsfachmann aus seinem Team kegelte; Lafontaine, der (mit Schröders Billigung und Unterstützung) Scharping auf dem Mannheimer Parteitag meuchelte; Schröder, der mit Hombachs Hilfe Lafontaine aus dem Superministeramt mobbte; schließlich Scharping, der zu Schwächezeiten seines Kanzlers durchaus in gekränkt-eitler Selbstüberschätzung wissen ließ, er stehe als Ersatz-Kanzler bereit. Und der jetzt eher brutal als elegant abserviert wurde: Hoppla!

Für die viel beschworene sozialdemokratische Nestwärme und Solidarität ist das alles kein Beleg. Und wie soll man sich den Noch-SPD-Vize Scharping im Wahlkampf vorstellen? Muss er nicht all seine klammheimliche Hoffnung dransetzen, dass mit Schröder auch der dritte Triumvirator endlich ins Gras beißt? Wie es sich in einem Shakespeare-Königsdrama gehört?

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