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Stuttgart 21: Schlichtung als Zwischenstation

Der Sieger der Schlichtung bei Stuttgart 21 könnte Heiner Geißler heißen. Denn bei der Landtagswahl Ende März kann nun das herauskommen, was er sich schon länger als Konstellation vorstellt – Schwarz-Grün.

Politik ist ein Prozess. Gemeint ist nicht einer vor Gericht, auch kein Verfahren vorm Bundesverfassungsgericht, sondern ein Verlauf mit zunächst wechselseitig vorgetragener Argumentation und Abwägung und dem Versuch, alles Beschlossene in die Tat umzusetzen. Das war bisher so, das bleibt im Wesentlichen auch so, bis auf den Unterschied, den das Stichwort Stuttgart 21 beschreibt: Zur Not wird alles noch einmal öffentlich besprochen, damit alles von allen gesagt und von möglichst vielen gehört worden ist und sich umso mehr wahrgenommen fühlen.

Bei Stuttgart 21 zeigt sich, dass es im Grunde gar nichts zu schlichten, nur etwas zu moderieren gibt. Zweitens sind die Erkenntnisse nicht wirklich neu, die neuen Gespräche führen auch nicht zu neuer Erkenntnis. Außer vielleicht der, jedenfalls für manche, dass in einem Kommunikationszeitalter mit so vielen verschiedenen Informationskanälen öffentliche Kommunikation entsprechend wichtig genommen werden muss. Alle Beteiligten sind bei ihren Standpunkten geblieben, stimmen aber in dem Punkt überein: Gut, dass wir drüber gesprochen haben.

Und das ist der Hintersinn der Schlichtung von Heiner Geißler. Politik ist nämlich auch Taktik, manchmal Guerillataktik. Gemeint ist damit, dass man sich seinem Ziel auf verschlungenen Pfaden mit maximaler Verwirrung potenzieller Gegner nähern kann. So gesehen heißt der Sieger der Schlichtung: Geißler. Denn bei der Landtagswahl Ende März kann nun das herauskommen, was er sich schon länger als Konstellation vorstellt – Schwarz-Grün. Das wäre eine Koalition, die in diesem Bundesland mehr bedeutete als nur ein neues Bündnis. Und darüber hinaus auch. Immerhin ist das „Ländle“ das erfolgreichste aller Länder. Noch dazu wird es seit jeher regiert von der CDU. Nun wurde in Stuttgart schon vor vielen Jahren sondiert, ob das zutiefst Bürgerliche beider Parteien nicht doch ganz gut zusammenpassen würde; das war zunächst unter Erwin Teufel, dann noch einmal unter Günther Oettinger. Doch hinzu kommt, dass es jetzt, unter Stefan Mappus, geradezu programmatisch würde.

Ein erklärter Konservativer und eine abgeklärte grüne Partei müssten eine Politik vereinbaren, die es in einem Bundesland mit Atommeilern schafft, über die Atomfrage hinauszukommen. Anforderung wäre, aus Stuttgart 21 ganz praktisch abzuleiten, wie gesellschaftliche Modernisierung mit Nachhaltigkeit und Ökologie versöhnt und zugleich buchstäblich ins Werk gesetzt werden kann. (Es wäre außerdem für Geißler eine späte Versöhnung mit Politikern wie dem verstorbenen Herbert Gruhl, dem grünen Christdemokraten, der vor Jahren der CDU verloren ging.)

Ohne die Schlichtung gäbe es diese Vorstellung nicht. Da wäre Grün-Rot so gut wie gewählt, weil die Landtagswahl zum Votum nur über Stuttgart 21 würde. Vielleicht schlägt Geißler aber zur Sicherheit noch eine Volksbefragung vor, im Januar. Fiele das Ergebnis positiv für die CDU aus, was möglich ist – dann müsste die Partei Geißler zum Ehrenmitglied ernennen.

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