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Meinung: Schmalzbomben auf Dresden

Das ZDF hat mit seinem Kriegs-Liebesfilm einen fragwürdigen Erfolg errungen

Mit über zwölf Millionen Zuschauern am Sonntagabend hatte schon der erste Teil des ZDF-Zweiteilers „Dresden“ dem Sender ein fabelhaftes Ergebnis beschert. Doch schiere Quoten sagen noch nichts über Qualitäten. Das immense Interesse am Schicksal der 1945 durch britische Bomber in Feuer und Asche gelegten Barock-Metropole ist ohnehin vorhanden. Denn Dresden gilt – wie sonst nur noch Hiroshima – als Symbol für die Schrecken des modernen Luftkrieges. Wundern konnte man sich nur, dass dieser Fernsehfilm nicht schon letztes Jahr zum 60-jährigen Jubiläum der Zerstörung gezeigt wurde – und zur weltweit gefeierten Wiederauferstehung der Dresdner Frauenkirche.

„Dresden“ hat über zehn Millionen Euro gekostet und nicht nur im ZDF eine fast beispiellose Voraus-Publicity erfahren. So sind diese drei Fernsehstunden zu einem der aufwändigsten Versuche der Erinnerung und Selbstvergewisserung über die jüngere deutsche Geschichte geworden. Und man merkt dem Film jederzeit an, dass hier größte Vorsicht gewaltet hat: Man wollte politisch korrekt sein und bloß nicht suggerieren, dass die vielen zehntausend Bombentoten von Dresden, fast alle Zivilisten, irgendwie gegen die Millionen Opfer des deutschen Naziterrors „aufgerechnet“ werden könnten. Darum sieht man in Dresdens Straßen jede Menge NS-Brutalitäten, hingerichtete Deserteure, drangsalierte Juden, korrupte Funktionäre.

Nichts dagegen. Wenn es rein filmisch, rein erzählerisch nur nicht immer so absichtsvoll wäre und damit selbst die Opfer der NS-Herrschaft noch als Alibi der Filmemacher instrumentalisiert würden.

Natürlich ist „Dresden“ ein Spielfilm, und der hat alle künstlerischen Freiheiten. Doch das Unfreie, reißbretthaft Konstruierte der Fabel schlägt auch künstlerisch zurück. Nichts gegen die Idee, dass sich eine Krankenschwester 1945 in einen abgeschossenen britischen Bomberpiloten verliebt. Aber „Dresden“ verdreht den unmenschlich menschlichen Aberwitz des Krieges ins platte Melodram. Fast nichts stimmt an diesem ZDF-Engländer, nicht mal der synchronisierte Akzent; und die reizende Deutsche fragt den Unbekannten weder nach dem Namen, nach seiner Herkunft oder woher er überhaupt Deutsch spricht. Sondern legt sich mitten im Krankensaal, vor zig Zeugen und mit der SS nebenan, zu dem Engländer ins Bett. Zum Sex mit einem, der einen frischen Bauchdurchschuss hat. Und Geigen singen, Augen schmachten.

Helmut Kohl meint in „Bild“, der Film zeige „das Leben, wie es war“. Eine Antwort, die etwas über den Realitätssinn des Altkanzlers verrät. Und vielleicht über den Wunsch, wie es hätte sein sollen. In Wahrheit jedoch zeigt „Dresden“, wie schwer es fällt, über den eigenen Untergang einen Unterhaltungsfilm zu drehen. Kein Wunder, dass Engländer, die das Bombardement Dresdens längst kritisch sehen, über so viel deutschen Versöhnungskitsch den Kopf schütteln.

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