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Meinung: Schritt für Schritt, möglichst vorwärts

Vielleicht ist es ganz gut, dass der israelische Außenminister Schimon Peres den palästinensischen Autonomiepräsidenten Jassir Arafat beim EU-Gipfel in Mallorca zwar zufällig treffen, aber nicht mit ihm verhandeln darf. Denn nach den früheren Treffen hat sich die Lage immer verschlechtert.

Vielleicht ist es ganz gut, dass der israelische Außenminister Schimon Peres den palästinensischen Autonomiepräsidenten Jassir Arafat beim EU-Gipfel in Mallorca zwar zufällig treffen, aber nicht mit ihm verhandeln darf. Denn nach den früheren Treffen hat sich die Lage immer verschlechtert. Außerdem sollte jetzt nicht ver- sondern gehandelt werden. Aber das hatte Israels Ministerpräsident Ariel Scharon wohl weniger im Sinn, als er Peres einen Maulkorb verpasste. Vielmehr befürchtet er, dass Arafat seine Stellung durch Verhandlungen stärken könnte, sowohl gegenüber Israel als auch international. Und es könnte der Eindruck entstehen, Israel legitimiere den Terror.

Peres wiederum ist bereit, auch "unter Feuer" mit Arafat über einen Waffenstillstand zu verhandeln und - das ist neu für seine Amtszeit in der "Regierung der Nationalen Einheit" - auch politische Verhandlungen zu führen. Peres hat das zwar nicht laut ausgesprochen. Aber der von ihm ausgearbeitete Plan "Gaza zuerst", den er demnächst veröffentlichen wird, stellt an sich schon ein Beweis für seine unbedingte Verhandlungsbereitschaft dar. Nicht nur das: Der Plan sieht den totalen Abzug Israels aus dem Gazastreifen und die Räumung aller Siedlungen dort vor. Damit geht Peres über die Vorstellungen seines Vorgängers und seines Nachfolgers an der Spitze der Arbeitspartei und der Regierung, Jitzchak Rabin und Ehud Barak hinaus und gleichzeitig auf Kollisionskurs mit Scharon.

Endlich bricht ein israelischer Spitzenpolitiker das Tabu der Siedlungen, was unausweichlich zum Auseinanderbrechen der gegenwärtigen Regierung führen muss - aber die in taktischen Grabenkämpfen zerstrittene Arbeitspartei einigen könnte. Was die gesamte Welt und die israelische Linke seit Jahrzehnten sagt, dass die Siedlungen das israelische Haupthindernis für eine friedliche Konfliktlösung darstellen, wird nun auch vom israelischen Außenminister indirekt eingestanden.

Das muss aber nicht heißen, dass darauf Taten folgen werden. Die unter den gegenwärtigen Bedingungen und Machtverhältnissen in Israel unwahrscheinliche Umsetzung des Peres-Planes ist, wenn überhaupt, ohnehin nur langfristig möglich. Kurzfristig müssten eigentlich weitere israelische Teilrückzüge aus fünf autonomen städtischen Gebieten im Westjordanland erfolgen, ähnlich demjenigen zu Wochenbeginn aus Bethlehem und Beit Jala. Verhandlungen sind dazu nicht nötig, auch Scharon sieht ein, dass es sich um Selbstverständlichkeiten handelt. Und dennoch verkündeten die Israelis, dass in der nächsten Zeit nicht damit zu rechnen ist.

Nicht genug damit: Diese Teilrückzüge werden nur aus dem so genannten A-Sektor erfolgen - also den vollautonomen Gebieten - auf die Stellungen, welche Israels Armee vor der Ermordung von Tourismusminister Seewi bezogen hatte. Erst dann machen Verhandlungen überhaupt Sinn - und zwar über einen Rückzug auf die ursprünglichen, vertraglich vereinbarten Positionen. Dann erst löst sich der Würgegriff der israelischen Armee um die Bevölkerungszentren. Es gilt ein gewaltiges Wegstück zurückzulegen, weniger durch Verhandlungen als durch Taten, ehe man auch nur wieder dort angelangt ist, wo man vor Ausbruch der "Al Akza-Intifada" ins Straucheln geriet. Erst wenn diese Strecke bewältigt ist, dürfen zarte Friedenshoffnungen aufkommen.

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