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Meinung: Schröders Kreuz mit dem Tuch

Über religiöse Symbole in Schule und Amt entscheiden die Länder

Kerneuropa ist sich in einer für das Abendland ziemlich zentralen Frage einig. Kopftuch non, hatte Frankreichs Jaques Chirac letzte Woche gesagt. Und als habe Deutschlands Gerhard Schröder nur auf dieses Signal gewartet, hat er sich jetzt erstmals zu einer Position bekannt. In staatlichem „Auftrag“, formuliert er vieldeutig, habe die islamische Verhüllung nichts zu suchen.

Zwar trifft Chirac auch Schülerinnen, die Schröder verschonen will. Doch macht der wohl säkularste Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik deutlich, dass es ihm ernst ist mit der Neubestimmung des Religiösen im Staat, die das Bundesverfassungsgericht der Politik ausdrücklich ermöglicht hat.

Da steht er jetzt und kann nicht anders. Das ist der Eindruck, den Schröder mit seinen entschiedenen Worten vermitteln will. Aber er kann nicht nur nicht anders, er kann gar nicht. Schröder hat mit den Kopftuchverboten nichts zu tun, sie sind Ländersache. Er hat nur mal seine Meinung gesagt. Freilich wohlerwogen. Denn er weiß, dass er mit seinem Standpunkt ein Spektrum vertritt, wie es breiter nicht sein könnte: vom grünen Landtagsabgeordneten türkischer Herkunft über das „Auch Toleranz muss Grenzen haben“ der bürgerlichen Mitte bis zu jenen Braunzonen der Demokratie, die Martin Hohmanns Reden für die Wahrheit halten, die in Deutschland keiner sagen darf. Nichts strahlt wärmer als die Sonne der Mehrheit, und der Kanzler weiß stets, wo sie aufgeht.

Der Debatte hilft er nicht weiter, die Begründung seiner Position blieb merkwürdig fragmentarisch. Auch den Ländern ist er keine Hilfe. Sie placken sich herum mit Entwürfen für ein Verbot, das vor dem Karlsruher Gericht Bestand haben könnte. Bayern und Baden-Württemberg glauben mit ihrem Argument, die Landesverfassungen seien eben christlich, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben, um Christenkreuze zu erlauben, Kopftücher aber verbieten zu können. Damit werden sie juristisch wohl auf die Nase fallen. Berlin glaubt, den Staatsdienst von allem Religiösen bereinigen zu müssen. Das könnte juristisch eher klappen. Aber das eigentlich Ärgerliche ist, dass Monate nach dem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts die ehemals fruchtbare Diskussion um Zuwanderung und Integration zum Streit um ein Symbol verkommen ist, von dem man nicht einmal genau weiß, was es überhaupt bedeutet. So fern wie heute waren wir unseren Ausländern schon lange nicht mehr.

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