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Schuldenkrise in der EU: Irland zählt nicht

Europa steht noch längst nicht vor dem Scheitern. Aber die EU muss die Schuldenkrise überwinden, um ihre politische Einheit voranzutreiben.

Europa ist Kulturraum, Sehnsuchtsort, Projekt – und die größte Volkswirtschaft der Welt, potenziell jedenfalls, sofern zusammenwächst, was zusammengehört. Die gemeinsame Währung ist nötig, ebenso Politik aus einem Guss, an der es allerdings fehlt. „Wenn die Euro-Zone nicht überlebt, wird die Europäische Union nicht überleben“, warnt Ratspräsident Herman Van Rompuy. „Es geht um alles: Denn scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel.

So recht beide im Grundsatz haben: Es geht jetzt nicht, wenigstens noch längst nicht, um alles. Europa steht nicht vor dem Scheitern, der Euro bleibt eine starke Währung, wenn nicht die stärkste der Welt. Die EU hat einen Modus gefunden, wie sie klammen Mitgliedern in diesem und in den nächsten beiden Jahren helfen kann. Wer sich aus dem Rettungsfonds bedient, verliert jedoch seine Haushaltssouveränität, deswegen ziert sich Irland. An den Märkten kehrte schnell Ruhe ein, wenn Irland zugriffe. Aber ist es nicht gerade nützlich, dass die Hilfe nicht zu attraktiv ist? Wäre es anders, wäre der Topf bald leer und kein Problem gelöst.

Richtig ist allerdings, dass Irland, Griechenland und Portugal überschuldet sind. Eine ernste Sache, keine Frage, aber es handelt sich um EU-Mitglieder an der Peripherie und von relativ geringem wirtschaftlichen Gewicht. Um deren Staatshaushalte zu stabilisieren, sind strukturelle Reformen nötig, die nicht nur auf Sparen, sondern vor allem auf Wettbewerbsfähigkeit setzen. Es ist besonders der Fall Irland, der da bitter aufstößt: Erst lockt das Land mit phänomenal niedrigen Steuern ausländische Firmen an, erlebt deswegen einen Boom, und wenn alles aus und vorbei ist, dürfen ausgerechnet die einspringen, deren Wettbewerbsfähigkeit Irland zuvor untergraben hat.

Das Ziel sind nachhaltige, tragfähige Strukturen, in Irland und ganz Europa, es geht um Prozesse, die Jahre, gar Jahrzehnte dauern. Der Echtzeitblick auf den Euro ist irreführend und nachgerade fatal. Nur weil das Schuldenproblem schon im Frühjahr Kurse und Schlagzeilen bestimmte und man dann eine Weile wenig hörte, ist es doch jetzt nicht plötzlich gelöst. Der Notfallfonds kann nur ein erster Schritt sein. Wichtiger wird sein, dass und wie die EU Vertragstreue bei ihren Mitgliedern erreicht.

Die Bundesregierung hat in einem extrem empfindlichen Umfeld nicht nur klug agiert. Der Vorstoß, man wolle die Inhaber von Staatsanleihen nach 2013 an möglichen Ausfällen und Verlusten beteiligen, sorgt für Unsicherheit. Es ist auch eine gänzlich unpraktikable Idee. Natürlich soll, ja muss die Finanzbranche an den Kosten ihrer Krise beteiligt werden. Es darf nicht nur der Steuerzahler haften. Aber die Staatsanleihe als Anlageform derart zu beschädigen, bringt am Ende Politiker und nicht Banker in Bedrängnis. Die Bankenabgabe und eine Finanztransaktionssteuer – mindestens innerhalb der Euro-Zone – könnten die Lasten ein wenig besser verteilen. Van Rompuy, Merkel und Co. müssen Fakten schaffen, damit endlich Ruhe einkehrt und das Projekt Europa vorankommen kann.

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