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Bundeskanzlerin Angela Merkel steht vor einem schweren Herbst.

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Schwarz-Gelb: Merkels Herbst der Entscheidung

Mit der Gesundheitsreform und den Hartz-Reformen entscheidet sich das Schicksal der schwarz-gelben Bundesregierung. Angela Merkel muss jetzt handeln, aussitzen geht nicht länger. Die Strategie der Bundeskanzlerin heißt deshalb Augen zu und durch.

Der „Herbst der Entscheidungen“ naht. Angela Merkel hat vor zwei Wochen in ihrer Haushaltsrede selbst davon gesprochen. Atomkraft und Wehrpflicht, Hartz IV und Gesundheit, die Liste der Themen die sich die Bundeskanzlerin und ihr Kabinett für die kommenden Monate vorgenommen haben, ist lang. Nach dem Schwarz-Gelb im Frühjahr vor allem durch Tatenlosigkeit auffiel, will die Koalition nun demonstrieren, dass sie auch regieren kann. Die Kanzlerin, die in dem Ruf steht eine Zauderin zu sein, will endlich Führungsstärke zeigen. Es bleibt ihr auch gar nichts anderes mehr übrig. Die Stimmung in der Bevölkerung ist schlecht, die Umfragewerte für die Regierungsparteien sind in den Keller gesackt. Bei den fünf Landtagswahlen des kommenden Jahres drohen CDU und FDP empfindliche Niederlagen.

Vor allem zwei Themen dieses Herbstes sind es, die darüber befinden werden, ob es der aktuellen Bundesregierung gelingt, noch einmal einen nachhaltigen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung zu bewirken: Gesundheit und Hartz IV. Die Abschaffung der Wehrpflicht hingegen bewegt vor allem die CDU-Basis, die Atomkraft ist ein Stimmungsmacher für die Oppositionsparteien.

Bei der Reform des Arbeitslosengeldes II und der Einführung einer kleinen Kopfpauschale sind nicht nur große Teile der Bevölkerung unmittelbar getroffen; beide Reformen besitzen auch jede Menge populistisch Mobilisierungspotential, diese Erfahrung musste nicht zuletzt die SPD in den letzten beiden Legislaturperioden machen. SPD, Grüne und Linke werden sich also nicht die Chance entgegen lassen, die Regierung in diesen Fragen als inkompetent und unsozial hinzustellen. Schon jetzt fahren sie starke Geschütze auf, die SPD spricht vom „Ende des solidarischen Gesundheitssystems“, die Grünen erklären die Regierung kürze bei den Kleinen und verschone große Vermögen. Die Opposition wähnt sich zudem in einer guten machtpolitischen Position, denn der Arbeitsmarktreform und zumindest teilen der Gesundheitsreform muss der Bundesrat zustimmen. Sie könnte die Pläne der Regierung also auch blockieren.

Die Kakophonie hat kein Ende

Es wird also ernst für die Regierung, fast scheint, es sei dies die letzte Chance, eine Trendwende zu erreichen. An diesem Mittwoch hat das Bundeskabinett die Gesundheitsreform verabschiedet, in der kommenden Woche stellt Sozialministerin Ursula von der Leyen ihre Hartz-IV-Pläne vor. Kann die Regierung hier geschlossen agieren und können Union und FDP gleichzeitig vermitteln, dass sie das richtige Maß zwischen Haushaltskonsolidierung und sozialer Gerechtigkeit gefunden haben, dann würde sie verlorenes Vertrauen zurückgewinnen können.

Doch die Skepsis bleibt, zu groß sind die Interessengegensätze in der Regierung. Ob der schwarz-gelbe Umbau des Sozialstaates tatsächlich gelingt, ist deshalb offen. Guido Westerwelle steht höheren ALG-II-Sätzen skeptisch gegenüber, der FDP-Vorsitzende will die Mittelschicht vor „spätrömischer Dekadenz“ schützen und darauf achten, dass das Lohnabstandsgebot gewahrt bleibt. Die CSU hingegen will ihr soziales Profil stärken und stänkert gegen den liberalen Gesundheitsminister Philipp Rösler sowie dessen pauschale Zusatzbeiträge. Auch Ursula von der Leyens Bildungskarte für Hartz-IV-Kinder hat die CSU frühzeitig torpediert. Es spricht also wenig dafür, dass die sozialpolitische Kakophonie in der Regierung ein Ende haben wird - der Stimmungsumschwung würde so aber verfehlt. Doch mit der Gesundheitsreform und den Hartz-Reformen entscheidet sich also das Schicksal der schwarz-gelben Bundesregierung. Die Regierung hat keine andere Wahl. Im Gesundheitssystem explodieren die Kosten, bei Hartz IV muss nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zumindest für Kinder bis Jahresende eine Neuregelung her. Aufschieben und Aussitzen geht also nicht mehr. Fast scheint es, als habe sich Angela Merkel deshalb zu einer alternativlosen Strategie entschlossen: „Augen zu und durch“.

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