zum Hauptinhalt

Schweizer Bankgeheimnis: Ein bisschen weniger geheim

Die Schweiz wird ein Land wie jedes andere. Das Bankgeheimnis wird gelockert – ganz langsam, was auch kein Fehler ist.

Schlimmer kann es kaum kommen. Immer neue Abkommen mit der Europäischen Union legen der Eidgenossenschaft immer engere Ketten an. Dann geht die Swissair den Bach hinab und kann nur noch – ausgerechnet das – durch die Lufthansa gerettet werden. Und jetzt das Einknicken der eigenen Regierung vor dem Druck der OECD: Das Bankgeheimnis wird aufgeweicht!

Tatsächlich genügt ein Blick auf die Landkarte, um die unbequeme Lage der Eidgenossenschaft zu erfassen. Die Schweiz ist umgeben von Staaten der Europäischen Union. De facto kann die EU also schweizerisches Wohlverhalten erzwingen. Mit dem Hebel der Luftverkehrsabkommen ist das in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch geschehen, denn ohne das Placet der EU hätte die Swissair zwar weiter interkontinentale Flüge durchführen, aber in keinem EU-Staat mehr starten oder landen können.

Und nun das Bankgeheimnis! Wie Luxemburg, Andorra, Österreich und Liechtenstein hat die Schweiz die strengen Regeln gelockert und gibt künftig ausländischen Ermittlungsbehörden auch beim Verdacht der Steuerhinterziehung Auskunft. Die Schweiz vermeidet damit, beim Gipfel der 20 wichtigsten Industriestaaten auf eine schwarze Liste „nicht kooperativer Länder“ gesetzt zu werden.

Die Schweizer Politik hat lange nicht begriffen, dass sich Charakter und internationale Akzeptanz des Bankgeheimnisses verändert haben. Natürlich war es zuerst eine Art Rohstoff des Landes ohne Bodenschätze, dessen einzige Ressource der Geschäftssinn seiner Einwohner bildete. Anleger aus aller Welt konnten hier Gelder vor dem konfiskatorischen Zugriff ihrer Heimat sicher unterbringen. Außerdem war die Schweiz für viele wohlhabende Opfer der russischen Revolution, des Kommunismus und des „Dritten Reichs“ zum Rettungsanker geworden.

Aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts parkten nicht nur Diktatoren aus aller Welt ihre zusammengeraubten Vermögen gerne in der Schweiz, reiche Europäer empfanden Steuerflucht in die Eidgenossenschaft auch als eine Art Kavaliersdelikt. Beides verärgert zunehmend die Öffentlichkeit. Seit Jahrzehnten profitiert die Schweiz zudem von Europa und nutzt die Vorteile der EU, verweigerte sich aber lange daraus resultierenden Verpflichtungen.

Dass man nicht, um im Schweizer Sprachgebrauch zu bleiben, den Fünfer und das Weckli haben kann, ist letztlich nur gerecht. Dennoch ist das Anderssein der Schweiz eine herrliche Provokation, zeigt es doch den zum Dirigismus neigenden Ländern der EU, dass man mit weniger Staat und mehr persönlichem Freiraum auch ganz gut leben kann. In der Schweiz wird mehr gearbeitet als in Deutschland, es gibt weniger Urlaub, das Leben ist teurer. Dafür verdient man weit mehr als in der Bundesrepublik und zahlt viel weniger Steuern. Auf der Zielliste deutscher Auswanderer steht die Schweiz ganz oben, deshalb, nicht wegen des Bankgeheimnisses.

PS: Auch wenn der Name anderes nahelegt – der Verfasser hatte nie ein Schweizer Bankkonto.

Gerd Appenzeller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false