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Meinung: Sicher ist, dass nichts sicher ist

Von Gerd Appenzeller Für die Demoskopie gilt, so scheint es, eine ähnliche Volksweisheit wie für das Recht: Frage zwei Juristen, und du bekommst drei Meinungen. Etwas übertrieben ist das.

Von Gerd Appenzeller

Für die Demoskopie gilt, so scheint es, eine ähnliche Volksweisheit wie für das Recht: Frage zwei Juristen, und du bekommst drei Meinungen. Etwas übertrieben ist das. Gestern gab es nur zwei verschiedene Interpretationen des politischen Meinungsklimas in der Bundesrepublik. Das Forsa-Institut stellte fest, dass CDU/CSU und FDP zusammen erstmals seit dem März keine Mehrheit mehr gegenüber Rot-Grün hätten, würde jetzt und nicht erst am 22. September gewählt. Forsa arbeitete im Auftrag des „Stern“. Anders das Institut für Demoskopie in Allensbach. Es sieht Schwarz-Gelb noch einmal gestärkt und macht so etwas wie eine kaum mehr verrückbare Wechselstimmung in der deutschen Wählerschaft fest. Allensbach publizierte in der FAZ.

Nun gilt Forsa in seinen Interpretationen als SPD-freundlich, was beim „Stern“ traditionell auch zutrifft. Den Allensbachern wird hingegen ein besonders guter Kontakt zur CDU nachgesagt, und auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ist sozialliberaler Tendenzen eher unverdächtig. Haben sich da also jeweils zwei passende Geschäftspartner gefunden? Die Erklärung wäre zu einfach.

Divergierende Ergebnisse lassen sich teilweise mit unterschiedlichen Erhebungszeiträumen erklären. Forsa fragte zwischen dem 3. und dem 8. Juni, Allensbach zwischen dem 25. Mai und dem 4. Juni. Die Auswirkungen der Auseinandersetzungen um Jürgen Möllemann auf die Akzeptanz der FDP werden also wahrscheinlich von Forsa besser widergespiegelt: 74 Prozent der Befragten, lesen wir, wollen nicht, dass der Vizechef der Liberalen eine größere Rolle in der deutschen Politik spielt. Allensbach sieht bei der FDP hingegen – vorläufig – nur einen geringen Schwund.

Dem Institut vom Bodensee geht es ohnedies weniger um eine Momentaufnahme als um eine langfristige Beobachtung des Wählerverhaltens. Und da sieht es offenbar nicht so gut für Rot-Grün aus. Seit dem Frühjahr 2001 bröckelt das Vertrauen in die amtierende Regierung, weil, so Allensbach, von da an die Wähler die Hoffnung auf einen Wirtschaftsaufschwung verloren. Der Prozentsatz der Bundesbürger, die sich einen Regierungswechsel wünschten, stieg von 29 im März/April 2001 auf 44 Prozent in der aktuellen Befragung. Einen solchen langfristigen Trend nicht nur zu brechen, sondern auch kurzfristig umzukehren, erläutert die Institutsleiterin Renate Köcher, sei schwer.

Mag ja sein. Aber da bleiben zwei Unwägbarkeiten: Wie geht es mit der FDP weiter, lautet die eine. Und die zweite: Im März 1998, also etwa so weit von der letzten Bundestagswahl entfernt wie heute von der nächsten, wünschten sich immerhin 59 Prozent der Wähler einen Regierungswechsel. Diese Zahl schrumpfte bis zur Wahl auf 50 Prozent, also um immerhin neun Punkte. Gäbe es auch diesmal wieder einen Umschwung ähnlichen Ausmaßes, würde es Rot-Grün wieder reichen. Schau’n wir mal.

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