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Meinung: Sie können einander nicht finden

Herzogs Gesundheitsreform lässt sich mit dem CDU-Steuerkonzept nicht bezahlen

Nun kann niemand mehr behaupten, die Christdemokraten seien in der Reformdebatte konzeptionslos und hätten der Regierung keine eigenen Ideen entgegenzusetzen. Seit gestern ist klar, wie sich die CDU die Zukunft jener beiden Politikfelder vorstellt, in denen der Schlüssel für mehr Wachstum und Beschäftigung in diesem Land liegt. Wie das Steuersystem umgebaut werden könnte, hat am Montag der CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz skizziert. Und über die Zukunft der Sozialversicherungen haben sich vor wenigen Wochen Altbundespräsident Roman Herzog und seine Experten Gedanken gemacht. Dabei sind vernünftige und diskussionswürdige Konzepte herausgekommen. Sie haben allerdings einen Haken: Sie passen nicht zusammen. Würden die beiden Entwürfe Gesetz, stieße die Union die ohnehin desolaten Staatsfinanzen vollends ins Chaos.

Dabei weisen für sich genommen das Vorhaben von Merz ebenso wie das von Herzog in die richtige Richtung. Dass die Steuern sinken müssen und dass die komplizierten Gesetze vereinfacht und entschlackt gehören, weiß jeder, der sich schon einmal an seiner Steuererklärung versucht hat. Und richtig ist auch, dass der Staat sich am besten aus dem Leben seiner Bürger heraushalten sollte – statt ihn über Steuervergünstigungen dazu zu bewegen, eine Lebensversicherung abzuschließen, nachts zu arbeiten oder Anteilseigner eines Containerschiffes zu werden. Kurz: Merz wirbt für ein anderes Staatsverständnis, für weniger Bevormundung und mehr Bewegungsfreiheit von Bürgern und Unternehmen. Der Staat soll nur noch einspringen, wenn der Einzelne überfordert ist.

Diesen Gedanken , übertragen auf die Sozialversicherung, kultiviert auch die Herzog-Kommission: Nur noch das, was der Einzelne nicht selbst leisten und vorsorgen kann, übernehmen die Versichertengemeinschaft oder der Staat, schlägt das Ex-Staatsoberhaupt vor. Statt Solidarität gibt es also Kopfpauschalen, statt Transfers Kapitalstöcke. Allein für die Umstellung vom alten Solidar- zum neuen Vorsorgemodell kommt der Staat auf. Das ist radikal. Alternativen zu diesem Grundkonzept sind angesichts der alternden Gesellschaft kaum vorhanden.

Nur: Gerade weil Merz und Herzog so sehr übereinstimmen und auf die Verantwortung des Einzelnen setzen, passen sie nicht zusammen. Merz’ Steuervereinfachungsprogramm beschert dem Staat ein Finanzloch von bis zu zehn Milliarden Euro – vielleicht auch mehr, exakt lässt sich das angesichts der weit reichenden Veränderungen kaum schätzen. Und für Herzogs Reformpaket wären noch einmal 27 Milliarden Euro fällig. So viel kostet pro Jahr die Umstellung von der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Kopfpauschalen, bei denen der Fiskus die soziale Absicherung bei Härtefällen übernimmt. Zwar bessert die CDU in diesem Punkt nach, indem sie etwa die Arbeitgeberanteile zu Sozialversicherungen steuerpflichtig machen will – doch das wird das Finanzloch allenfalls verkleinern.

Das ist die entscheidende Schwäche, warum beide Konzepte nicht zusammengehen. Die CDU hat sich zwar in beiden Politikfeldern zum Systemwechsel entschieden, aber nicht gesagt, zu welchen Kosten. Schon heute lebt der Staat über seine Verhältnisse, muss in diesem Jahr schätzungsweise 85 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen und gibt jeden dritten Euro für Zins und Tilgung aus. Daran wird auch der im kommenden Jahr zaghaft beginnende Konjunkturaufschwung nichts ändern. Die CDU weiß, dass die konzeptionelle Milliarden-Lücke ihre offene Flanke ist. Sie muss sich entscheiden - für viel oder für wenig Staat. Und dann muss sie entweder die Steuersätze von Friedrich Merz erhöhen oder die Kosten des Herzog-Konzepts abspecken. Erst dann hat der CDU-Reformentwurf eine echte Chance.

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