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Meinung: Sie trauern um die Söhne

TOTENEHRUNG IN ITALIEN

Bis zu vier Stunden mussten sie anstehen: die Italiener, die sich in Rom von den 19 im Irak getöteten Soldaten verabschieden wollten. Der „Altar des Vaterlandes“, oft spöttisch „Schreibmaschine“ genannt, hatte solch eine Zeremonie seit 1921 nicht mehr erlebt; damals war in Erinnerung an die Toten des Ersten Weltkrieges der unbekannte Soldat bestattet worden. Gestern kamen Zehntausende, um zu trauern. Eine beeindruckende Demonstration der Anteilnahme mit den Familien der Toten von Nasirijah. Dabei unterstützt nur die Hälfte der Italiener den Einsatz im Irak. Aber 20 Prozent geben in Umfragen an, sie fühlten sich nun stärker als Italiener als vor dem Anschlag – ein Patriotismus der Trauer. Die würdevolle Zeremonie in Rom und die Anteilnahme der Bevölkerung zeigen den Kontrast zu Deutschland. Hier ist man weit davon entfernt, im Einsatz gestorbene Bundeswehrsoldaten auf ähnliche Weise öffentlich zu ehren. Zum Beispiel jene, die im Juni in Kabul ums Leben kamen. Auch sie waren in ein fremdes Land gegangen, um aufzubauen, nicht um zu zerstören. Pathos, Patriotismus und Soldaten – diese Kombination fällt Deutschen wegen ihrer Geschichte schwer. Das ist verständlich. Aber ist es auch fair gegenüber den Familien? Darum geht es bei staatlichen Inszenierungen wie in Rom: den Hinterbliebenen zu zeigen, dass sie mit ihrer Trauer nicht alleine sind. Das ist das Mindeste, was eine Gesellschaft tun kann, die ihre Soldaten in Afghanistan und anderswo in Lebensgefahr schickt. clw

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