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er geschasste Siemens-Chef Peter Löscher.

© AFP

Siemens: Fehler in der Konstruktion

Vieles ist Peter Löscher misslungen, aber alles in allem geht es dem Konzern gut. Jetzt geht es um eine Lösung, die die Gemüter beruhigt.

Alter schützt vor Torheit nicht. Und Erfahrung offenbar auch nicht. Drei Männer verlieren in diesen Tagen so den Überblick, dass man sich Sorgen machen muss um einen der wichtigsten deutschen Konzerne. Gerhard Cromme (70), Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens, und seine beiden Stellvertreter Josef Ackermann (65) und Berthold Huber (63), haben ein erstaunliches Führungschaos angerichtet.

Ausgerechnet dieses Trio, das vor sechs Jahren an der Spitze des damaligen Korruptionskonzerns Siemens aufräumte und erstmals in der 166-jährigen Unternehmensgeschichte einen Vorstandschef von außen holte, den Österreicher Peter Löscher. Eine gute Wahl: Unter Löschers Leitung wurde der Skandal überwunden – auch mithilfe von enormen Strafzahlungen und der schwierigen Trennung von Heinrich von Pierer. In den folgenden Jahren erwirtschaftete Siemens so hohe Gewinne wie nie.

Aus und vorbei. Am vergangenen Donnerstag teilte Löscher mit, dass der Konzern in diesem Jahr nicht so viel Profit macht wie ursprünglich erwartet. Ein paar Milliarden bleiben aber immer noch übrig, Siemens ist keineswegs ein Krisenkonzern. Doch manchen Aufsichtsräten reicht das nicht: Löscher muss weg.

Vieles ist ihm misslungen. Inklusive der jüngsten Gewinnwarnung hat Löscher nun insgesamt sechs Mal in sechs Jahren die Prognose korrigieren müssen. Mit diversen Sparprogrammen hielt er dagegen, zuletzt sollten unter dem Titel „Siemens 2014“ sechs Milliarden Euro weniger ausgegeben werden. Das war mehr Aktionismus als Strategie. Welche Produkte haben wir in fünf Jahren, welche Investitionen sind erforderlich, welche Qualifikation, welches Personal brauchen wir dafür, fragten die Betriebsräte und bekamen von Löscher keine Antwort. Der sparte lieber gegen die schwache Weltkonjunktur an und musste gleichzeitig dreistellige Millionenbeträge abschreiben auf Windparkprojekte in der Nordsee sowie der Solarwirtschaft. Und die neuen ICE-Züge wurden auch noch nicht an die Bahn geliefert.

Aber alles in allem steht der Konzern stabil auf den Säulen Energie, Industrie, Gesundheit sowie Infrastruktur. Siemens macht Produkte, die in aller Welt gekauft werden. Das wird morgen nicht anders sein, welches Vorstandsmitglied auch immer am Mittwoch zum Vorstandsvorsitzenden bestellt wird. Cromme, Huber und Ackermann sind in der Pflicht, eine auch langfristig überzeugende Lösung zu finden, ohne die eine Weltfirma mit 370 000 Beschäftigten an Bord nicht funktionieren kann.

Erst mal geht es um eine Lösung, die die Gemüter beruhigt, nachdem die Aufsichtsräte mit dem Sommertheater um Löscher die Führungskrise selbst ausgelöst haben. Womöglich, weil Oberaufseher Cromme selbst in Panik ist. Bei Thyssen-Krupp griff er als Aufsichtsratschef nicht ein, als vor einigen Jahren deutlich wurde, zu welchem Desaster sich das neue Stahlwerk in Brasilien auswuchs. Crommes Zögern und Zaudern trug zur extrem schwierigen Situation bei, in der sich Thyssen-Krupp heute befindet.

Bei Siemens sind die Verhältnisse bei Weitem nicht so, aber das spielt keine Rolle. Cromme will jetzt lieber zu früh als zu spät agieren. Doch wie wenig professionell das alles ist, zeigt die Regelung der Nachfolge. Joe Kaeser soll es werden, meinen Cromme und Ex-Deutsche- Bank-Chef Ackermann. Kaeser ist seit 33 Jahren im Unternehmen, die letzten Jahre als Finanzvorstand an der Seite Löschers. Was soll der besser können?

Nichts, meint der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber. Die Gewerkschaft möchte endlich wieder einen Techniker an der Spitze. Finanzleute sind Huber suspekt, weil die eher an Quartalszahlen und weniger an langfristige Produktentwicklungen denken. Und nun? Gegen die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat gibt es ebenso wenig einen Vorstandschef wie gegen die Kapitalseite. Also eine Doppelspitze aus Kaeser und Siegfried Russwurm, dem Ingenieur im Vorstand? Kann sein. Es wäre eine Notlösung, weil sich das Trio an der Spitze der Aufsichtsrats auf mehr nicht verständigen kann.

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