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Meinung: So ganz nebenbei vergessen

Von lorenz Maroldt

In drei Schritten haben Politiker ihr Verhalten zu regeln versucht: Seit 1972 müssen Abgeordnete ihren Beruf angeben und diejenigen benennen, für die sie im Einsatz sind. 1986, im Zuge der FlickAffäre, wurde nachgebessert, um die „Pflege der politischen Landschaft“ durch freigiebige und erwartungsvolle Unternehmer und Konzerne besser vom Licht der Öffentlichkeit bescheinen zu lassen. 2002 kamen ein paar Details dazu; seitdem müssen die Empfänger von Diäten (7009 Euro) und steuerfreien Kostenpauschalen (3589 Euro) erklären, für wen sie Gutachten erstellen und Vorträge halten.

Drei Schritte, ein Ziel: die stets mögliche Abhängigkeit oder Beeinflussung von Volksvertretern wenn schon nicht zu verhindern, so doch zu erschweren und einigermaßen nachvollziehbar zu offenbaren. Seit mehr als 30 Jahren also sind Nebenbeschäftigungen und Nebenverdienste von Politikern auch der Politik als Problem bewusst. Doch erst jetzt fällt den Parteien auf, dass sie etwas vergessen hatten. Was war es doch gleich …

Ach ja: Es drohte bisher keinem Abgeordneten eine Strafe, der sich nicht an die Regeln hält. Aber verbieten alleine, nicht wahr, das ist nicht genug. Weiß man ja. Wenn es nicht um sie selbst geht, sind Politker dann auch weniger zimperlich. Wer zum Beispiel auf eigene Faust herausbekommen will, ob er der leibliche Vater eines Kindes ist, den möchte die Justizministerin am liebsten für ein Jahr ins Gefängnis schicken. Auch deshalb bleibt die Begeisterung in engen Grenzen, wenn die Regierungsfraktionen jetzt unter Affärendruck auf die wenig originelle Idee kommen, sich auch für die Pfuscher aus dem eigenen Stall eine Strafe auszudenken.

Ähnlich lange schon und auch weiterhin weigern sich die meisten Politiker, ihre diversen Einkommen offen zu legen. Nur der Bundestagspräsident soll das wissen, aber der darf es niemandem weitersagen. So kann auch niemand kontrollieren, ob und wie gut der Präsident kontrolliert, was ihm da gesagt wird – oder eben verschwiegen.

Auch hier gehen die Abgeordneten mit anderen weniger rücksichtsvoll um als mit sich selbst. Dass die Bezüge von Vorstandsmitgliedern börsennotierter Unternehmen durch Gesetzesdruck offen zu legen seien, fordern die Volksparteien schön einheitlich neidpopulistisch. Und dass die Empfänger von Arbeitslosengeld sich entblößen müssen, damit sie ja nicht noch einen schwarzen Euro verstecken, das beschließen sie auch. Wenn aber jemand keck fragt, wie denn so ein parlamentarischer Vollnebenverdiener neben seiner volksfinanzierten Parlamentsarbeit, die ihm nicht mal den regelmäßigen Besuch des Plenarsaals erlaubt, Zeit findet für einen zweiten Job, dann ist zuweilen schnippisch zu hören, das gehe niemanden etwas an. Ach je. Bloß gut für die Politik: Dreistigkeit ist weder verboten, noch wird sie bestraft.

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