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Meinung: Späte Erinnerung

Von Frank Jansen

Der üble Verdacht der Mitwisserschaft scheint sich zu bestätigen. Hatte der Bundesnachrichtendienst bislang beteuert, man habe erst nach der Freilassung des von der CIA entführten Deutschlibanesen Khaled al Masri etwas erfahren, so gibt nun ein BND-Beamter frühzeitige Kenntnis zu. Der Amtsinspektor hörte in Mazedonien bereits in der ersten Januarhälfte 2004, dass die Sicherheitsbehörden des Landes al Masri festgenommen und an die Amerikaner weitergereicht hatten. Angeblich behielt der Beamte sein Wissen für sich – bis jetzt, kurz vor der Befragung durch den BND-Untersuchungsausschuss. Wäre die Information sofort an die deutsche Botschaft in Skopje und nach Berlin übermittelt worden, hätte die Verschleppung al Masris von Mazedonien in ein US-Geheimgefängnis in Afghanistan verhindert werden können. Al Masri wurde nach eigener Erinnerung in der zweiten Januarhälfte in ein Flugzeug gesteckt, dass nach Afghanistan flog. Der BND-Beamte hat zumindest fahrlässig dazu beigetragen, dass ein deutscher Staatsbürger mehr als vier Monate die Hölle eines CIA-Kerkers durchlitt. Das ist die engere Dimension des Falles. Es ist zu befürchten, dass er ein ganz anderes Ausmaß annimmt und damit die Turbulenzen weiter anfacht, die den BND schon schütteln.

Sollte der Beamte entgegen seiner Behauptung doch das Wissen über die Verschleppung al Masris an Vorgesetzte weitergegeben haben, die dann nichts unternahmen, wäre dies ein größerer Skandal. Es ist nun abzuwarten, was der BND-Untersuchungsausschuss herausfindet. Selbst wenn es dabei bliebe, dass sich „nur“ ein Beamter falsch verhielt, ist auch dieser Fall neben der Spitzelaffäre und den anderen strittigen Aktivitäten des BND ein Beleg für die Notwendigkeit, den Nachrichtendienst einer durchgreifenden Reform zu unterziehen. Die in Teilen der Behörde offenbar immer noch herrschende Bunkermentalität des Kalten Krieges muss durch strukturelle Änderungen aufgebrochen werden. Da reichen Personalwechsel nicht aus. Es erscheint unvermeidlich, dass der Bundestag als Ergänzung zum Parlamentarischen Kontrollgremium einen Geheimdienstbeauftragten einsetzt, dem der BND regelmäßig und umfassend Bericht erstattet. Ohne die Pflicht zu mehr Transparenz dürfte sich wenig ändern.

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