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Meinung: Sponsern Verbraucher die Energiekonzerne?

„Der stille Kampf des Konzerns“ vom 30. September Über Vattenfall gibt es derzeit nichts Gutes zu berichten.

„Der stille Kampf des Konzerns“ vom 30. September

Über Vattenfall gibt es derzeit nichts Gutes zu berichten. Aktuell werden die Monatsraten für Strom nach Gutdünken erhöht, egal wie der Verbrauch vorher war. So nimmt man für eine 90qm-Wohnung in Charlottenburg, in der eine Person wohnt, mal eine Waschmaschine pro Woche anstellt, abends TV laufen hat und den Kühlschrank, tagsüber arbeiten geht, sage und schreibe 90 Euro pro Monat, nach harten telefonischen Verhandlungen noch 70 Euro. Das ist gegenüber dem bisherigen Verbrauch zu viel. Der Begriff „Willkür“ erhält wieder einen verständlichen Klang. Der demokratisch nicht kontrollierte Konzern nimmt pro Person einen Verbrauch von 1000 kw/h pro Monat an. Bei vielen Menschen ist es deutlich weniger, es reichen oft 400–500 kw/h. Diskussionen mit unfreundlichen Beratern am Telefon sind nicht möglich. Wir sponsern also ungewollt den Konzern bzw. geben Kredit! Das schlechte Image muss sich der schwedische Konzern selber zuschreiben. Dabei ist der Wechsel des Energieträgers hin zu einem kundenfreundlichen, der Ökostrom vertreibt,

z. B. Elekrizitätswerke Schönau, oder Greenpeace eine Möglichkeit, sich zu wehren. Die Stromversorgung zurück in die Hand der Kommune (früher Bewag) zu führen, ist eine andere Variante. Wir brauchen in Berlin dringend bürgernahe Stadtwerke, die öffentlich kontrolliert werden und unseren gewählten Vertretern gegenüber verantwortlich sind. Und die uns mit freundlichem Personal gegenübertreten, das tariflich korrekt bezahlt wird und seinen Bürgerauftrag versteht.

Rüdiger Deißler, Berlin-Charlottenburg

Sie haben recht, der Strompreis ist allzu oft eine Mogelpackung. Allerdings: Anders als Sie machen sich die wenigsten Verbraucher überhaupt Gedanken über ihre Stromkosten. In Wahrheit gehört der Strompreis für den deutschen Durchschnittsverbraucher zu den „Peanuts“ seines Alltags. Ganze drei bis max. fünf Prozent seines Monatsbudgets gibt er durchschnittlich dafür aus. In puncto Energie machen den Deutschen die Ölpreise, also Kosten für Tanken und Heizen, viel mehr Kopfzerbrechen. Dafür geben sie nämlich bis zu 30 Prozent ihres Einkommens aus. Die vielen Debatten in den Medien und die Schlagzeilen über steigende Strompreise erwecken einen anderen Eindruck. In Wahrheit sind sie Teil eines perfiden Propagandafeldzugs gegen die Energiewende und ein geschicktes Ablenkungsmanöver. Denn eigentlich müssten die Strompreise gar nicht steigen. Es gibt zahlreiche preissenkende Faktoren: Die Strompreise an der Börse sind niedrig wie nie, CO2- und Kohlepreise ebenso. Es steigt lediglich die Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Jedoch nicht, weil der Anteil erneuerbarer Energien immer weiter steigt oder Ökostrom so teuer wäre, sondern sich die Umlage aus der Differenz zum Börsenpreis errechnet: Je niedriger der Börsenpreis, desto höher die Umlage. Aber das hat eigentlich keinen preissteigernden Effekt. Im Gegenteil: Die Strompreise blieben stabil, wenn auch die preissenkenden Faktoren an die Verbraucher weitergegeben würden. Das aber geschieht nicht. Stattdessen müssen die Öko-Energien als Sündenbock für exorbitante Strompreissteigerungen herhalten. Es wäre Aufgabe der Politik, wenn schon nicht für Preisstabilität, so zumindest für Preistransparenz zu sorgen.

Die geringe Aufmerksamkeit der Verbraucher gegenüber Stromkosten führt offenbar dazu, dass einzelne Anbieter versuchen, sich durch wenig seriös kalkulierte Monatspauschalen zu bereichern. Das von Ihnen skizzierte „Kreditmodell“ eines Energieversorgers ist mir bislang nicht begegnet. Wenn von einem Anbieter willkürlich überhöhte Verbrauchswerte angenommen werden, sollte sich das niemand gefallen lassen. Leider wissen die wenigsten, wie viel Kilowattstunden Strom sie im Jahr oder Monat verbrauchen. Deswegen zahlen sie arglos jede Monatsrate und freuen sich über das vermeintliche „Geschenk“, wenn sie am Jahresende eine Rückzahlung bekommen. Zyniker würden sagen: Der Strompreis ist noch nicht hoch genug; andernfalls würden sich die Menschen mehr Gedanken machen. Auch über das Energiesparen. Und über eigenes Engagement in der zukunftsträchtigen Energiebranche. Ich stimme Ihnen zu, dass sich jeder Stromkunde fragen sollte, welcher Energieanbieter die von der Mehrheit der Bevölkerung gewünschte Energiewende konsequent umsetzt und vor Ort produzierten Ökostrom anbietet. Leider wechseln immer noch zu wenige Stromkunden ihren Anbieter, aber zum Glück nehmen immer mehr Bürger ihre Energieversorgung selbst in die Hand – und zwar mit aller Konsequenz! Zahlreiche kommunale Unternehmen haben sich konsequent der Energiewende verschrieben. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere diejenigen Kommunen erfolgreich in der Umsetzung der Energiewende sind, welche die Energieversorgung nie in private Hand vergeben haben. Hier dienen die Investitionen in die Stromversorgung in erster Linie dem Gemeinwohl und nicht dem reinen Profitdenken eines Konzerns. Aus diesem Grund stimmten in Hamburg die Bürger bei einem Volksentscheid für den Rückkauf des Stromnetzes. Auch in Berlin engagieren sich zahlreiche Bürger für den Rückkauf der Stromnetze und die Einführung eines kommunalen Stadtwerks. Immer häufiger tun sich engagierte Bürger als Betreiber von Kraftwerken für erneuerbare Energien zusammen. Über 700 Energiegenossenschaften gibt es in Deutschland inzwischen. Sie wollen mitbestimmen, wie und welche Energie unsere Zukunft bestimmt.

— Prof. Dr. Claudia Kemfert, Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung e. V., Berlin

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