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Staatshaushalt: Die Aufgaben des Herkules

1,7 Billionen Euro Schulden hat der deutsche Staat inzwischen angehäuft, den weitaus größten Teil in guten Zeiten und ganz ohne Finanzkrise. Die Europäische Kommission tut daher gut daran, angesichts grassierender Haushaltslügen klare Informationen darüber anzufordern, wie und wann Berlin den Schuldenentzug zu beginnen gedenkt.

Worte und Taten fallen bei dieser Bundesregierung auf verstörende Weise auseinander, wie sich gerade am Freitag besonders zeigt. An diesem Tag passiert nämlich ihr Haushalt für das laufende Jahr den Bundestag. Ausgaben von 320 Milliarden Euro sieht er vor, ein Viertel davon auf Pump finanziert. Es ist die höchste Neuverschuldung der deutschen Geschichte, und dennoch behauptet die Bundesregierung, sie befinde sich auf einem Sparkurs.

Dem Vizekanzler hat Angela Merkel gerade vorgehalten, er spreche im Gestus eines Tabubruchs Selbstverständlichkeiten aus. Doch die Kanzlerin selbst hält es kaum anders. Es sei eine Herkulesaufgabe, den Staatshaushalt zu konsolidieren und Wachstum zu schaffen, sagt sie bedeutungsschwer – dabei weiß das doch wirklich jeder. Zweifel bestehen aber, ob ausgerechnet diese Regierung die Aufgabe meistern kann, und, schlimmer noch, ob sie das überhaupt will. Eigentlich will sie gleich in den Olymp und nicht erst Augiasställe ausmisten und Höllenhunde niederringen, scheint es.

Natürlich ist die Koalition nicht die erste Bundesregierung, die vom Sparen redet und das Gegenteil tut. 1,7 Billionen Euro Schulden hat der deutsche Staat mit all seinen Niederungen inzwischen angehäuft, den weitaus größten Teil in guten Zeiten und ganz ohne Finanzkrise. Die Europäische Kommission tut daher gut daran, angesichts grassierender Haushaltslügen klare Informationen darüber anzufordern, wie und wann Berlin den Schuldenentzug zu beginnen gedenkt.

Trotzdem mehren sich jetzt in Europa Stimmen, Deutschland möge bitte noch mehr Geld ausgeben und also noch mehr Schulden machen. Es handelt sich zum Teil um durchsichtige Manöver. Natürlich wünscht sich Frankreichs Wirtschaftsministerin eine geringere Exportstärke der deutschen Industrie. Am liebsten wäre ihr wahrscheinlich, die Deutschen würden nur noch französische Produkte kaufen und sich ansonsten den ganzen Tag gegenseitig die Haare schneiden.

Binnennachfrage stärken gut und schön – aber das Geld, das man dafür braucht, muss erst erwirtschaftet werden. Man kann am Ende der Haushaltswoche im Bundestag nicht ernsthaft behaupten, der deutsche Staat gäbe zu wenig Geld aus. Aber man muss fragen, ob er es richtig ausgibt. Ist es zum Beispiel richtig, dass mehr als die Hälfte der Bundesausgaben in Sozialtransfers und Renten fließen? Auch bei der anstehenden Gesundheitsreform müssten die Ausgaben eigentlich das größte Augenmerk erhalten. Mit der Grundsatzdebatte über Kopfpauschale versus Solidarumlage wird dagegen suggeriert, es sei wichtiger, auf welchem Weg das Geld ins System fließt. Wie die Preise für Medikamente – ein Großteil der Ausgaben also – ausgehandelt werden, lässt sich das Ministerium von der Pharmalobby diktieren. Absurde Schnitzer wie die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers fallen angesichts solcher Katastrophen gar nicht ins Gewicht.

Wachstumsbeschleunigung sieht jedenfalls anders aus, wäre aber – da hat die Kanzlerin recht – an der Zeit. Ausgangspunkt muss das Gegenteil dessen sein, was Frankreich behauptet. Ohne die exportorientierte Industrie, an der die gesamte Wertschöpfung des Landes hängt, werden die Deutschen ihren vergleichsweise hohen Wohlstand nicht halten. Deswegen ist alles geboten, was das Bildungsniveau hebt und Zukunftstechnologien voranbringt, ohne das Land zu überschulden. Leider ist davon im Haushalt der Bundesregierung ebenso wenig zu spüren wie bei ihren sonstigen Plänen.

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