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In einem biologischen Labor wird ein Katheter mit vorher kultiviertem Embryo für einen Embryotransfer befüllt.

© dpa

Stammzellenforschung in den USA: Die Angst vor geklonten Kriegern

Wissenschaftler in den USA haben erstmals einen menschlichen Embryo durch ein Klon-Verfahren hergestellt. Die Menschheit steht vor neuen Fragen - auch ethischen, meint Kai Kupferschmidt. Doch die Hoffnung überwiegt.

Nun marschieren sie wieder, die Klonkrieger. 16 Jahre nach Dolly, dem Schaf, war es ruhig geworden um die umstrittene Technik, die aus der Zelle eines Wesens ein neues, genetisch identisches Wesen schaffen kann. Da verkündet ein US-Forscherteam, es habe einem acht Monate alten Mädchen eine Zelle entnommen, den Zellkern in eine Eizelle verfrachtet und daraus einen Embryo wachsen lassen.

Stammzellengewinnung als Ziel der Klonversuche

Auch wenn die Forscher den menschlichen Embryo nach kurzer Zeit zerstört haben, um daraus Stammzellen zu gewinnen – in den Gedanken vieler Menschen wächst er weiter, wird einer Frau eingepflanzt und schließlich als ein Baby geboren. Die meisten Stammzellforscher sehen in dem Experiment ebenfalls den Beweis, dass der Mensch geklont werden kann. So entfaltet der winzige Zellhaufen eine philosophische Wucht. Er beschwört einmal mehr die bekannten Bilder herauf von geklonten Diktatoren und Designerbabys und rührt damit an Urängsten des Menschen.

Walter Benjamin hat in einem berühmten Aufsatz argumentiert, das Kunstwerk verliere in Zeiten seiner technischen Reproduzierbarkeit seine Einzigartigkeit, seine Aura. Verliert nun der Mensch – technisch reproduzierbar, wie er ist – seine Aura? Und verschwindet mit der Aura auch seine Würde?

Das ist aus mehreren Gründen nicht der Fall. Zunächst haben die Forscher nur bestätigt, was die meisten Wissenschaftler lange vermutet hatten: Der Mensch kann ebenso geklont werden, wie es bei Katzen, Hunden, Mäusen und Schafen gelungen ist. Der Mensch ist eben ein Tier. Das ist nicht neu.

Auch wäre ein menschlicher Klon nicht der seelenlose Schatten eines Menschen. Ein Mensch entwickelt sich aus dem Zusammenspiel von Umwelt und Genen. Auch eineiige Zwillinge haben eine eigene Persönlichkeit, dabei teilen sie neben den Genen auch einen Großteil ihrer Umgebung. Ein Klon wäre ein eineiiger Zwilling, der Jahrzehnte nach seinem Bruder geboren wird. Er wäre das Kind derselben Eltern, aber einer anderen Zeit.

Die Versprechen des reproduktiven Klonens, etwa ein verstorbenes Kind „wiederauferstehen“ zu lassen, sind hohl. Niemand hat das überzeugender argumentiert als der amerikanische Bioethiker Thomas Murray 2001 bei einer Anhörung im Senat. Keine Technik könne ein totes Kind je wiederbringen, sagte Murray damals. Klonen könne die Willkür von Krankheit, Unglück und Tod nicht rückgängig machen. Der Forscher wusste sehr genau, wovon er sprach. Seine eigene Tochter war wenige Monate vorher im Alter von 20 Jahren entführt und erschossen worden.

Klonen von Menschen in Zukunft eher unwahrscheinlich

Die Horrorvisionen und misstrauischen Reflexe, die die Nachricht bei vielen Menschen auslöst, sind kaum gerechtfertigt. Gegen das „reproduktive Klonen“ spricht vor allem eines: dass die medizinischen Risiken enorm sind. Die meisten geklonten Tiere sterben als Embryonen oder Babys. Wer überlebt, hat häufig schwere Missbildungen. Allein deshalb wäre eine internationale Ächtung richtig.

Gescheitert ist sie einst auch am Widerstand der Kirche und der Deutschen, die mit der Erzeugung von Klonbabys auch gleich die Erzeugung geklonter Stammzellen verbieten wollten. Das ist jetzt passé. Die Stammzellen sind da und könnten helfen, so hoffen die Forscher, schwere Krankheiten zu heilen. Ob das stimmt, ist alles andere als sicher. Doch die Hoffnung ist ernster zu nehmen als die Angst vor geklonten Kriegern.

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