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Steuersenkungen: Wer die Zeche zahlen soll

Darf man in der Krise mit Steuersenkungen werben? Ja, wenn die Richtigen entlastet werden - und die Parteien sagen, wer das Ganze bezahlen soll.

Von Antje Sirleschtov

Steuersenkungen? Ausgerechnet jetzt, wo am Horizont die ersten dicken Rechnungen für die Finanz- und Wirtschaftskrise auftauchen? Milliardenrechnungen wohlgemerkt! Hunderte Milliarden wird diese Krise die Staats- und auch die Sozialkassen, soweit man das jetzt schon weiß, kosten. Das schreit nach Steuer- und Abgabenanhebung. Darf man in diesen schweren Zeiten überhaupt an Steuersenkungen denken und darf man mit ihnen dann auch noch ehrlicherweise im Wahlkampf für die nächsten vier Jahre auf Stimmenfang gehen?

Die Anwort darauf lautet: ja. Doppelt ja sogar. Zum einen, weil man dafür die Frage debattieren muss, wer die Milliardenzeche aus der Wirtschaftskrise zu bezahlen hat – und wer nicht. Und zum anderen, weil diese Diskussion, bei der es um die künftige Entwicklung des Landes geht, keinen besseren Rahmen als den Wahlkampf finden könnte. Schließlich sind wir im September aufgefordert, über eben diese Zukunft abzustimmen. Und woran ließen sich die Pläne der Parteien besser ablesen als an der Frage, wie sie sich die Verteilung der Krisen-Lasten vorstellen?

Dass die Krise ihren Ursprung hierzulande unter anderem in einer schleichenden Deformation des sozialen Marktwirtschaftens und damit der gerechten Verteilung des Lohns aus Anstrengung genommen hat, ist keine neue Erkenntnis. Lange haben nicht nur Gewerkschafter davor gewarnt, dass die Lasten der Gesellschaft von immer mehr schmalen Schultern getragen werden müssen, während es sich starke Schultern – mit politischer Unterstützung – leicht machen können. Die frühen steuerpolitischen Entscheidungen der großen Koalition, von der Mehrwertsteuererhöhung bis zur Körperschaftsteuerreform, bilden da keine Ausnahme. Und auch im Herbst 2009 gilt ja noch: Während Facharbeiter und Angestellte in Deutschland ihren Lohn nicht selten mit 30 Prozent und mehr versteuern und zusätzlich nicht zu knapp Sozialbeiträge für ihre Familien zahlen, ist der am Kapitalmarkt verdiente Euro nur mit 25 Prozent an der Finanzierung des Staates beteiligt und von der Finanzierung der Sozialsysteme gänzlich freigestellt. Gleiches übrigens gilt für Managerboni. Deren Dimension ist inzwischen nicht nur zum Sinnbild der Krise geworden. Sie bleiben im Vergleich zum durchschnittlichen Verdiener auch beim Abtragen der nun auf uns zurollenden Schuldenlawine privilegiert.

Was also spricht gegen eine Korrektur? Etwa, indem die als besonders ungerecht – ja leistungsfeindlich – empfundenen Teile des Steuersystems zum Vorteil der Zahler verändert werden. Bei der Progression, bei der jede auch noch so kleine Lohnanhebung zum Hauptgewinn fürs Finanzamt wird, oder dem berüchtigten Mittelstandsbauch.

Auf der Suche nach solchen Signalen für eine gerechterer Verteilung der Kosten für Schulen, Straßen, Polizei, Schuldzinsen und die sozialen Vorsorgesysteme ist die SPD – und wird es wohl auch die Union – in ihrem Wahlprogramm vor systemumstürzlerischen Vorschlägen einer Bierdeckel- oder Vermögensteuerreform aus gutem Grund zurückgeschreckt. Krisenzeiten sind eben nicht die Zeiten für große Ausschläge, in welche Richtung auch immer.

Allerdings sollten dies die Zeiten klarer Bekenntnisse aller Parteien sein. Dafür, wie die Schulden der Krise in Zukunft abgetragen werden. Die der Steuerkassen und die der beitragsfinanzierten Sozialkassen. Und vor allem, von wem die Zeche zu bezahlen ist.

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