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Stillstand im Roten Rathaus: Willkommen im Wahlkampf

Noch im Herbst hatte Finanzsenator Ulrich Nußbaum erklärt, für Wahlgeschenke sei kein Geld da. Das stimmt zwar noch immer. Doch gespart werden soll in Berlin erst wieder 2012.

So macht Politik Spaß. Fröhliche Kinder, zufriedene Eltern und ein Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), der Wohltaten verteilt. Vom kostenfreien dritten Kitajahr, weise auf 2011 gelegt, profitieren nicht zuerst bildungsferne Migrantenkinder, es ist vor allem eine sozialdemokratische Mittelstandsförderung. Familien mit kleinen Kindern und mittlerem Einkommen werden 2011 mehrere tausend Euro sparen. Wer hat’s erfunden? Eben! Willkommen im Wahlkampf.

Längst vergessen, dass Berlins Finanzsenator Ulrich Nußbaum im Herbst noch erklärte, für Wahlgeschenke sei kein Geld da. Das stimmt zwar noch immer. Doch gespart werden soll in Berlin erst wieder 2012 – nach der Wahl. Dabei ist klar, dass die stark steigenden Sozialausgaben für Arme, Alte und Kinder nur durch harte Schnitte und weiteren Personalabbau ausgeglichen werden können. Doch das ist kein Thema; ab sofort wird in Berlin regierungsamtlich gute Laune verbreitet.

Die rot-rote Koalition hat schon mal alle Streitpunkte weggeräumt. Kein Klimaschutzgesetz – dass habe die böse Bundesregierung durch ihre umweltfeindliche Politik leider, leider unmöglich gemacht. Nur schnell vergessen machen, dass Linkspartei und Sozialdemokraten sich darüber zerstritten und eine seltene Koalition aus Industrie- und Handelskammer, Mieterverein und Umweltorganisation BUND ein bezahlbareres Konzept vorgelegt hat. Vertagt ist auch der Weiterbau der umstrittenen Autobahn A 100.

Gewählt wird am 18. September, bis dahin gilt offenbar: bloß nicht bewegen. Es wird höchstens nachjustiert – weil die SPD weiß, dass die neue Sekundarschule ein Erfolg werden muss, damit der Zorn der Eltern nicht über die Sozialdemokraten kommt. So früh wie jetzt wurden noch nie neue Lehrer angekündigt, und Sanierungsgelder für marode Schulen werden sich auch noch finden. Der für vergangenen Herbst angekündigte Familienbericht wird dafür erst Ende Januar vorgestellt, damit der Senat sich familienfreundlich präsentieren kann.

Berliner könnten trotzdem bemerken, dass der Wahlkampfschlager Rekommunalisierung eine unrealistische Wohlfühlparole ist. Weder hat Berlin genug Geld in der Kasse, um Wasser- oder Stromversorger zurückzukaufen, noch kann der Senat erklären, warum danach die Preise sinken sollen, obwohl Berlin schon jetzt die Aktienmehrheit hält. Dass der Wasserversorger Veolia nicht daran denkt, seine Anteile abzugeben, kommt hinzu. Gleiches gilt für großspurige Pläne, die S-Bahn zu übernehmen, beim täglichen Chaos aber hilflos zu sein. Und wenn es dem Senat nicht gelingt, die ursprünglich vorgelegten Flugrouten durchzusetzen, dann können sich Linke und SPD auch nicht mehr damit herausreden, sie wären schon immer gegen den Standort Schönefeld gewesen.

Für Berlin wird 2011 zum verlorenen Jahr, wenn Stillstand zur rot-roten Wahlkampfstrategie wird. Wenig ist gut hier, und vieles ist dringend zu tun. Berlin darf den zarten Aufschwung der vergangenen Jahre nicht gefährden. Nur dann können die republikweit höchste Arbeitslosenquote gesenkt und Migranten integriert werden, nur dann können die Berliner die steigenden Mieten bezahlen, nur dann können die ausufernden Sozialausgaben gesenkt werden. Nichts wäre fataler als Firmen, die nicht mehr einstellen, weil der Senat das Regieren einstellt. Es liegt an der Opposition, ob der Senat damit durchkommt. Bislang aber, das zeigen sinkende Zustimmungswerte für die Grünen, bleibt Herausforderin Renate Künast noch viele Antworten schuldig.

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