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Streik der Lokführer: Arbeitskampf um jeden Preis

GDL-Chef Weselsky nimmt eiskalt in Kauf, dass Millionen Fahrgäste nicht zur Arbeit kommen oder Fabriken der Nachschub ausgeht – nur um sich und seiner Organisation mehr Macht zu verschaffen. Dabei hätte die Lokführergewerkschaft längst am Ziel sein können.

Der Mann kennt keine Gnade. Schon vier Mal in den vergangenen zwei Wochen hat die Lokführergewerkschaft GDL die Republik lahmgelegt, doch ihr Chef ist noch lange nicht am Ziel. „Wir können sehr weit gehen“, droht Claus Weselsky. Er ist also bereit, seinen brachialen Arbeitskampf noch auszuweiten, noch viele Male für Stillstand zu sorgen, sollten die Arbeitgeber nicht auf seine Linie einschwenken.

Ein Streik ist die schärfste Waffe, die Arbeitnehmer haben, um ihre Forderungen durchzusetzen. Das Grundgesetz erlaubt Arbeitsniederlegungen ausdrücklich. Doch wer dazu aufruft, muss sehr gute Gründe vorweisen können. Weselsky kann das nicht. Er nimmt eiskalt in Kauf, dass Millionen Fahrgäste nicht zur Arbeit kommen, Kraftwerken die Kohle und Autofabriken der Nachschub ausgeht – nur um sich und seiner Organisation mehr Macht zu verschaffen.

Denn die GDL hätte längst am Ziel sein können. Sie verlangt eine einheitliche Bezahlung für alle Lokführer, egal, ob sie ICEs, Regionalbahnen oder Güterzüge steuern, ob sie für den Marktführer Deutsche Bahn oder deren Konkurrenten arbeiten. Der neue Einheitslohn soll zudem um fünf Prozent steigen. Auf einen Branchentarifvertrag für den Regionalverkehr, der in diese Richtung geht, haben sich die Deutsche Bahn, ihre Wettbewerber und die Verkehrsgewerkschaft EVG längst geeinigt. Nur die GDL verdammt den Kompromiss in Bausch und Bogen. Sie findet, dass die Lokführer der Privatbahnen dabei zu schlecht wegkommen. Das Land steht still, nur weil 6000 Lokführer ein paar Euro mehr bekommen sollen – das ist nicht verhältnismäßig.

Weselskys Truppe geht es nicht allein um Geld, sondern auch um Einfluss. Die GDL will demonstrieren, dass sie mehr für die Lokführer herausholen kann als die Konkurrenzgewerkschaft EVG, in der alle Bahn-Berufsgruppen vertreten sind. Darin sieht sie ihre Daseinsberechtigung. Die Milliardenverluste durch den Streik, der Schaden für das umweltfreundliche Verkehrsmittel Eisenbahn insgesamt sind für sie bestenfalls Kollateralschäden. Dass sich die Gewerkschaft nicht um Rückhalt in der Öffentlichkeit schert, hat sie bereits bei der Tarifschlacht vor vier Jahren bewiesen. Nur damit ist auch ihre dreiste Streiktaktik zu erklären: Weil niemanden ein Arbeitskampf bei einer Wald- und Wiesenbahn in der Uckermark oder im Bayerischen Wald interessiert, überzieht die GDL den Branchenprimus Deutsche Bahn mit Aktionen. Das ist Arbeitskampf um der Aufmerksamkeit willen, PR um jeden Preis.

Nur weil sie eine Berufsgewerkschaft ist, kann die GDL überhaupt derart rücksichtslos vorgehen. Im Sinne einer Sozialpartnerschaft immer auch die Interessen und den Fortbestand des gesamten Unternehmens, der gesamten Branche im Blick zu behalten, so wie es etwa eine IG Metall tut, das hat sie nicht nötig. Zum einen, weil die Deutsche Bahn niemals pleitegehen wird. Zum anderen, weil sich die Lokführer so mächtig fühlen wie nur wenige andere Arbeitnehmer. Dabei blenden sie indes aus, dass ohne den Mann auf der Lok zwar kein Zug starten kann – ohne Rangierer, Schlosser, Putzfrau oder Fahrkartenverkäuferin aber eben auch nicht.

Wer eine so egoistische Taktik wie die Lokführer verfolgt, fordert eine Antwort der Politik geradezu heraus. Deutschlands höchstes Arbeitsgericht hat es zwar ausdrücklich zugelassen, dass Splittergruppen wie die GDL, die Piloten oder die Ärzte für ihre besonderen Arbeitsbedingungen streiten. Das über Jahrzehnte bewährte Prinzip der Tarifeinheit – ein Betrieb, eine Gewerkschaft – ist damit Geschichte. Die Befürchtungen der Arbeitgeber und der großen Gewerkschaften, dies könne das Land ins Chaos stürzen, bewahrheiten sich aber mit jedem Tag, an dem die GDL die Züge stehen lässt, mehr. Noch lehnt die FDP eine Regelung, die die Konkurrenz der Gewerkschaften beschneidet, ab. Benehmen sich Claus Weselsky und die Seinen aber weiter wie die Axt im Walde, werden sie von der Regierung womöglich bald mit einem Gesetz gebremst. Eine solche Niederlage hätte sich die GDL dann selbst zuzuschreiben.

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