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Streik im öffentlichen Dienst: Von kühn zu maßlos

Die Streiks im öffentlichen Dienst in Berlin finden wenig Rückhalt – zu Recht.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In diesen Tagen fehlt uns Arnold Schwarzenegger. Der kalifornische Gouverneur könnte den Berliner Gewerkschaften erklären, wie es ist, wenn ein Staat die eigenen Angestellten und Beamten kaum noch bezahlen kann. Da wird nicht mehr über höhere Gehälter gestritten, sondern höchstens noch über die Zahl der finanzierbaren Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst.

In Deutschland ist das, glücklicherweise, eine fast undenkbare Diskussion. Die Bediensteten des Bundes, der Länder und Gemeinden haben sicher viele Probleme, aber über die Gefahr einer Kündigung müssen sie nicht nachdenken. Das ist eine große Errungenschaft, aber auch eine Gefahr, wenn es zur Bequemlichkeit und Erstarrung führt – und zu einem Anspruchsdenken, das in keinem Verhältnis mehr steht zur Lebenswirklichkeit im Rest der Welt.

Leider haben Verdi, die Gewerkschaft der Polizei und der Beamtenbund in Berlin diese Abkoppelung von der gesellschaftlichen und ökonomischen Realität längst vollzogen. Noch schlimmer: Sie machen damit Politik. Dem Staat geht es doch ziemlich gut, sagen sie, und jetzt wollen wir ran an den Speck. Ihnen kommt entgegen, dass sich Bund und Länder in den letzten Tarifrunden haben breitschlagen lassen, großzügigen Einkommenszuwächsen zuzustimmen.

Jetzt, in der Finanzkrise, die sich zur Wirtschaftskrise auswächst, werden die Innen- und Finanzminister noch merken, dass das keine so gute Idee war. Zu spät. Und auch für Berlin, das nicht zur Tarifgemeinschaft der Länder gehört, sind die neuen Bundestarife schlecht, denn sie erhöhen den Druck auf den Senat erheblich, die hauptstädtischen Staatsdiener über die freiwillig gewährten Einmalzahlungen für 2008/09 hinaus besser zu besolden. Das wäre sicher gerecht und auch volkswirtschaftlich produktiv, weil gut für die Kaufkraft. Aber wer käme dafür auf? Ein abenteuerlich hoch verschuldeter Stadtstaat – und somit dessen Steuerzahler.

Also jene Berliner, die in der Regel ebenfalls seit Jahren auf vernünftige Lohnerhöhungen warten und nicht mit einem dauerhaften Kündigungsschutz gesegnet sind. Das ist doch der eigentliche Grund, warum die Streiks im öffentlichen Dienst in der Bevölkerung so wenig Rückhalt finden: dieser rücksichtslose Anspruch auf Besserstellung, egal was rundherum geschieht. Und das schnelle Vergessen jener schmerzhaften, aber klugen Zugeständnisse, die 2003 zu einem speziellen Tarifvertrag für Berlin führten.

Damals wurden die öffentlichen Gehälter um 8 bis 12 Prozent gekürzt und die Arbeitszeit entsprechend verringert. Dieser Solidarpakt gilt bis 2010 und hat erheblich dazu beigetragen, Berlin vor dem finanziellen Kollaps zu retten. Schwarzenegger hätte sich das abschauen sollen. Und jetzt, da nach drei fetten Jahren die Zeiten schlechter werden, hat der Senat erst recht keine Wahl. Er muss beinhart bleiben, sich auf die Kasse setzen und mit den Gewerkschaften klären, wie Motivation, Qualität der Arbeitsplätze und Leistungsfähigkeit in der Verwaltung anderweitig zu verbessern sind.

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