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Heribert Schwan hat auch die offiziellen Kohl-Memoiren verfasst.

© picture alliance / dpa

Streit um das Buch-"Vermächtnis": Helmut Kohls letzte Einheit

Das Landgericht Köln urteilt, ob der Journalist Heribert Schwan in seinem Buch umstrittene Zitate Helmut Kohls verwenden darf. Auch wenn er gewinnt - Schwan gilt unter Kohl-Freunden wie Kohl-Feinden längst als der Böse. Sieger ist der Altkanzler. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Merkel die Dame ohne Charakter, Süssmuth die Schreckschraube, Späth einer der Dreckigsten, Wulff die Null. Helmut Kohl schmähte, Heribert Schwan schrieb’s auf. So sah es die Arbeitsteilung zwischen dem Altkanzler und dem damaligen WDR-Journalisten vor. Schwan, der Biograf im Nebenjob, hortete die als Memoiren-Material gedachten Invektiven, um sie jetzt erfolgreich in Buchform unter die Leute zu bringen. Doch damit könnte es bald ein Ende haben, denn an diesem Donnerstag will das Kölner Landgericht über Kohls Unterlassungsklage befinden.

Schwan ist der Böse. Im öffentlichen Urteil hat sich eine Allianz gebildet, der auch frühere politische Gegner beigetreten sind. Gebrechlich, wie er heute erscheint, genießt der Politiker eine Art Opferschutz, der frühere Fans und alte Spötter zusammenführt. Wieder eine und vielleicht die letzte Einheit, die der Altkanzler fertigbringt: Man nimmt nicht ihm sein Wüten übel, sondern Schwan, dass er es schildert.

Egal, es hat sich glänzend verkauft. Um sich zu empören, muss man Werk und Zitate ja auch erst mal lesen und, wie es des Journalisten Aufgabe ist, tüchtig verbreiten. So ist in der Welt, was gesagt worden ist, Urteil hin oder her. Kohl ist das peinlich, Schwan feiert sich. Die ersten Runden im juristischen Ringen gingen an ihn. Jetzt ist in Köln eine andere Kammer zuständig. Der Verratene, der damals überall Verräter sah, nur in Schwan nicht, der ihm hunderte Stunden gegenübersaß und zuhörte, darf auf Mitgefühl hoffen. Die Richter redeten in der mündlichen Verhandlung viel von Verträgen und Privatsphäre. Das erwiesene Interesse an Kohls historischer Abrechnung kam praktisch nicht vor.

Der begabte Autor wird für sein Recht weiterkämpfen, Kohl so darzustellen, wie er es für richtig hält. Eine Berufung gilt als sicher. ARD- Programm machen, schön und gut, aber richtig anfangen zu brennen: das schien Schwan erst nach Dienstschluss bei Kohl im Keller. Wiewohl ein Profi, ist dessen Leben im Laufe der Interviews und im Händel danach zu seinem eigenen geworden. Schwan möchte es nicht mehr hergeben. Die aktuell umstrittenen Kohl-Zitate sind wohl auch nur ein mikroskopischer Ausschnitt der Hinterlassenschaft. Kohl erweist sich darin als einer, der scharf analysiert, sprachlich gekonnt, so gemein wie gelegentlich witzig. Eigentlich gibt es keinen Grund, weshalb das verboten werden sollte. Kohl ist ohnehin der Sieger.

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