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Meinung: Stromabwärts

Die Oligopolisten haben überzogen, nun geht die Politik gegen überhöhte Strompreise vor

Das Bundeskartellamt ermittelt wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung; die EU-Kommission lässt Akten der Vorstandsmitglieder auf illegale Preis- und Marktabsprachen filzen; der hessische CDU-Wirtschaftsminister verbietet Preiserhöhungen; und nun verfügt die Bundesnetzagentur auch noch eine Kürzung der Entgelte für die Nutzung der Überlandnetze: Kein Zweifel, dem deutschen Stromoligopol der Konzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, die mehr als 80 Prozent der Stromerzeugung kontrollieren, erwächst eine Gegenmacht, wie es sie noch nie gab.

Das sind Deutschlands Stromfürsten nicht gewohnt. Jahrzehntelang konnten sie mit großer Nachsicht von Seiten der Politik rechnen, wenn sie die Verbraucher mit überhöhten Strompreisen schröpften und so Renditen erzielten, von denen Unternehmer im Wettbewerb nur träumen können. Dafür sorgte schon die enge personelle Verflechtung mit den großen Volksparteien, die von zahlreichen Bürgermeistern bis hin zu Ministern und Staatssekretären reicht.

Nur so ist zu erklären, dass Klaus Rauscher als Chef der Deutschland-Tochter des Unternehmens Vattenfall, das gerade erst wieder einen Gewinnsprung von über 50 Prozent vermeldete, das rechte Maß verlor. Kurzerhand bezichtigte er die Netzaufseher, ihre Verfügung sei „rechtswidrig, sachwidrig und unakzeptabel.“

Dabei müsste Rauscher, dem einstigen Politik-Manager aus der bayerischen Staatskanzlei, längst klar sein, dass Politik und Behörden gar nichts anderes mehr übrig bleibt, als einzugreifen. Denn er und seine Oligopol-Kollegen haben einen strategischen Fehler begangen: Sie haben überzogen. Indem sie den Marktwert für die kostenlos zugeteilten Lizenzen zum Ausstoß von Kohlendioxid auf die Strompreise umlegten und so ihre Erlöse ohne Kosten um ein Drittel nach oben trieben, brachten sie zuletzt sogar die gesamte Großindustrie gegen sich auf. Weil sich nun jedoch nicht mehr nur wehrlose Haushaltskunden, sondern auch mächtige Konzerne übervorteilt sehen, wird endlich die bizarre Struktur der Energiewirtschaft zum großen Politikum.

Man stelle sich vor, in Deutschland wären Daimler und VW Besitzer des Fernstraßennetzes und könnten die Mautgebühren je nach Automarke festlegen. Zu vermuten steht, dass Renault, Toyota oder Ford nur wenig Erfolg auf dem deutschen Markt hätten und die Netzbesitzer würden Kasse machen. Niemand würde folglich eine solche Privatisierung vorschlagen. Doch genau so läuft es beim Handel mit Strom und Gas. Der Wettbewerb hat keine Chance.

Daran wird die Kürzung der Durchleitungsgebühren freilich wenig ändern. Erfolg verspricht da eher das Rezept, das drei EU-Kommissare vergangene Woche vorstellten. Demnach sollen die Netzbetreiber „nicht als Teilnehmer am Markt operieren“, sondern „effektiv vom Geschäft mit Strom und Gas getrennt werden“. Diesen Ansatz, so versprach Industriekommissar Verheugen, werde die Kommission „selbstverständlich rigoros verfolgen“. Bleibt es dabei, dann neigt sich die Zeit der allzeit goldenen Bilanzen für Eon, Vattenfall und Co. dem Ende zu.

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