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Südossetien: Krieg und Spiele

Jetzt, wo alle Welt nach Peking schaut, zettelt Georgiens Präsident Michail Saakaschwili einen Krieg mit der abtrünnigen Republik Südossetien an. Die Gefahr für einen Flächenbrand im Kaukasus ist enorm. Russland sieht sich herausgefordert, doch an einer weiteren Eskalation kann der Führung in Moskau nicht gelegen sein.

Als die Griechen, die Urväter des olympischen Gedankens, vor langer Zeit in der Gegend siedelten, nannten sie den Landstrich an der Grenze zu Asien das „gastfreundliche Meer“. Unvorstellbar wäre es gewesen, hätte eines der schon damals über 50 verschiedenen Völker in der Region zu Zeiten der Spiele einen Krieg angezettelt. Michail Saakaschwili, der Präsident im neuzeitlichen Georgien, hält einen solchen Friedensgedanken offenbar für wertlos.

Seit Wochen schon hat er seine Armee an der Grenze zur kleinen, abtrünnigen Republik Südossetien zündeln lassen; jetzt, da die Welt nach Peking schaut, hielt er den Moment für einen Einmarsch wohl am günstigsten. Saakaschwili will sein Land in Nato und EU führen und fühlt sich, so sagt er, westlichen Gedanken von Demokratie und Freiheit verbunden. Ist der von ihm entfachte Krieg der Auftakt für einen Flächenbrand im Kaukasus, für einen Krieg in einer der gefährlichsten Weltregionen überhaupt?

Die Gefahr für einen großen Krieg mit Folgen nicht nur für die Region, sondern weltweit ist ganz konkret. Nirgendwo sonst leben derart viele Völker mit verschiedenen Religionen, Sprachen und Traditionen auf so engem Raum. Nirgendwo sonst treffen die Interessen und Einflusszonen der großen Mächte so direkt aufeinander. Russland, die USA, der Iran und die Türkei kämpfen unter Inguscheten, Tscherkessen, Tschetschenen, Dagestanern, Georgiern und anderen um Einfluss und den Zugriff auf Rohstoffe.

Vor allem Russland, seit dem 18. Jahrhundert Führungsmacht in der Region, sieht sich herausgefordert. Wie die neue Führung in Moskau langfristig auf die Krise reagieren wird, ist die entscheidende Frage. Dass der für Außenpolitik nicht zuständige Premier Wladimir Putin „Vergeltung“ angekündigt hat, mag ein Zeichen dafür sein, dass sich im Moment die Hardliner in Moskau durchsetzen, die Südossetien für eine russische Angelegenheit halten – und militärisch eingreifen. Es kann aber auch Theaterdonner sein, wie auch das russische Bemühen, den Fall für den UN-Sicherheitsrat zu verhandeln. Einiges spricht für die zweite Annahme.

Georgiens Präsident Saakaschwili ist vielleicht ein Heißsporn, ein Selbstmörder ist er nicht. Saakaschwili weiß, dass Russland den Einmarsch in dem kleinen Gebiet von der Größe des Saarlands militärisch kaum verhindern kann. Südossetien ist von Russland aus nur über eine Passstraße und einen Tunnel zu erreichen. Völkerrechtlich hat er ohnehin alle Argumente auf seiner Seite. Der Landstrich gehört nun einmal zu Georgien. Wichtiger ist indes eine andere Überlegung: Russland hat an Südossetien strategisch wenig Interesse, außerdem ist der Konflikt nicht internationalisiert. Anders als im benachbarten Abchasien, das Georgien ebenfalls für sich beansprucht, oder in dem zwischen Armenien und Aserbaidschan umstrittenen Berg-Karabach sind Europa und die USA in Konfliktlösungsmechanismen kaum eingebunden.

Russland kann an einer weiteren Eskalation des Konflikts nicht gelegen sein – vor allem dann nicht, wenn es dafür von Georgien und dem Westen freie Hand für Abchasien bekommt. Deutschland arbeitet hier an einer Friedenslösung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat das Land kürzlich besucht. Am Schwarzen Meer verbringen Jahr für Jahr tausende russischer Bürger den Sommer, von dort aus sind es nur ein paar Kilometer bis nach Sotschi. Und am „gastfreundlichen Meer“ braucht Moskau unbedingt Ruhe – in sechs Jahren finden dort die Olympischen Winterspiele statt.

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