zum Hauptinhalt
In diesem Raum fällt die Entscheidung für einen Luftschlag gegen Syrien - doch die USA wollen die Führungsrolle nur zögerlich annehmen.

© AFP

Syrien und die Welt: Globales Machtvakuum

Das britische Unterhaus, die deutschen Oppositionsparteien, sie alle gefallen sich darin, einen Militärschlag gegen Syrien abzulehnen, meint unser Autor Moritz Schuller. Und auch die USA scheinen die globale Führungsrolle nur zögernd übernehmen zu wollen.

Das Britische Empire schrumpft immer weiter. Spanien fordert inzwischen die Rückgabe von Gibraltar, das seit 1713 zu Großbritannien gehört, und das britische Parlament überlässt die ehemalige Kolonie Amerika endgültig ihrem Schicksal. Die Weigerung des Unterhauses, sich den Plänen des Premiers anzuschließen, Syrien für den Giftgasangriff zu bestrafen, ist der eindrucksvolle Beleg für die Unabhängigkeit der britischen Abgeordneten. Vor allem ist es eine dramatische Niederlage für David Cameron, der nicht einmal seine eigenen Abgeordneten überzeugen konnte. Die Abstimmung wirkt wie die Aufkündigung jener besonderen Beziehung zwischen Großbritannien und den USA, die seit Ronald Reagan und Margaret Thatcher so gern beschworen wurde. Es ist ein historisches Ereignis, isoliert hat sich das Land trotzdem nicht: Denn das Nein aus London klingt sehr europäisch.

Zu reizvoll ist es, Syrien als zweiten Irak zu inszenieren

Kein Wunder also, dass Peer Steinbrück keine zwölf Stunden später in das gleiche Horn tutet. Zu reizvoll ist es offenbar für die Oppositionsparteien hier wie dort, Syrien als zweiten Irak zu inszenieren, um aus der Lage innenpolitisches Kapital zu schlagen. „100 Stunden Verhandlungen sind besser als eine Minute Schießen“, sagt der SPD-Kanzlerkandidat und hofft dabei wohl auf jene Zustimmung, die Gerhard Schröder nach seiner Ablehnung des Irakkriegs entgegengeschlagen war. Natürlich erwähnt Steinbrück nicht, dass sein Parteifreund, der ehemalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier, in seinem Leben schon sehr viele Stunden mit dem syrischen Präsidenten verbracht hat. Es waren Verhandlungen ohne jeglichen Erfolg.

Wer nicht in Syrien eingreifen will, muss gute Argumente haben

Die Alternative zu einem Angriff ist nicht reden und verhandeln, sondern: kein Angriff. Wer auf die Giftgas-Toten nicht reagieren will, sollte die Argumente liefern, die es dafür gibt: Beweislage unübersichtlich, strategisches Ziel unklar, Folgen unabsehbar. Es sollte also um Außenpolitik gehen. Die kann durchaus einschließen, dass man nichts tut, wenn in Syrien Menschen durch Gasangriffe umkommen. Dazu muss man aber stehen, denn jedes Nein hat, darüber sollten sich alle im Klaren sein, auch Konsequenzen.

Europas Außenpolitik erschöpft sich wieder einmal darin, abzulehnen, was die Amerikaner vorhaben, und dabei vielleicht sogar zu hoffen, dass sie es doch tun. Und wie so oft: kein außenpolitisches Wort aus Brüssel. So schrumpft das europäische Empire, bevor es überhaupt entstanden ist. Dass manchen dabei der Irakkrieg mit seiner verfälschten Begründung als Folie einfällt, ist kaum angemessen. Der interventionalistische Enthusiasmus der Amerikaner damals ist längst großer Ernüchterung gewichen. In einem Moment, in dem die Amerikaner selbst äußerst zurückhaltend sind, eine globale Führungsrolle zu übernehmen, lässt sich durch Abgrenzung zu ihnen kein Akt europäischer Selbstbestimmung mehr formen. Im Gegenteil, es wirkt nur wie die Flucht vor den schwierigen Antworten auf die unübersichtliche Lage in Syrien.

Die westlichen Mächte sind auf dem Rückzug

So wenig die Ablehnung der britischen Abgeordneten die Pläne der Amerikaner verändern kann, ist sie doch das Symbol für eine Zeit, in der die westlichen Mächte auf dem Rückzug sind. Außenpolitik, die Ziele beschreibt und verfolgt, die Optionen darstellt und verteidigt, findet nicht statt. Einige Willige, viele Unwillige, nur von einer Koalition der einen oder anderen ist weit und breit nichts zu sehen: Mitten in diesem globalen Machtvakuum findet der Bürgerkrieg in Syrien statt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false