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Meinung: Terrorismus: Nichts ist mehr, wie es war

Vor drei Monaten besuchte der syrische Präsident Baschir Al Assad Berlin. Für die Bundesregierung war das ein zweifelhaftes Vergnügen, denn der junge Präsident hatte kurz zuvor unflätig gegen Israel gehetzt.

Vor drei Monaten besuchte der syrische Präsident Baschir Al Assad Berlin. Für die Bundesregierung war das ein zweifelhaftes Vergnügen, denn der junge Präsident hatte kurz zuvor unflätig gegen Israel gehetzt. Kanzler und Außenminister spielten dann ihr inzwischen eingeübtes Diplomatendoppel: Schröder suchte die Annäherung, und Fischer puffte den Syrer in die Seite, er solle demnächst besser auf seine Wortwahl achten. Gleichzeitig protestierte der Zentralrat der Juden in Anzeigen gegen den Besucher.

So weit, so gut. Aber dann war da noch Jürgen W. Möllemann, der meinte, man solle den armen Assad in Ruhe lassen, schließlich betreibe Israel gegenüber den Palästinensern Staatsterrorismus. Er meinte damit insbesondere die Todeslisten für mutmaßliche palästinensische Terroristen. Daraufhin schrieb der Zentralratsvorsitzende Paul Spiegel Möllemann einen Brief. Der lag dann recht lange im Büro des Allroundpolitikers herum.

Als Möllemann sich doch noch zu einer Antwort bequemte, nahm er nichts zurück. Gestern nun bekräftigte der Vorsitzende der deutsch-arabischen Gesellschaft noch einmal sein Formulierung: "Wenn ein Staat ohne Gerichtsverfahren Hinrichtungslisten vorlegt, dann ist das Staatsterrorismus."

Nun gibt es aber mittlerweile noch einen anderen Staat, der ohne Gerichtsverfahren mutmaßliche Terroristen umbringen will, wenn er ihrer anders nicht habhaft werden kann - und das sind die USA. War es vor dem 11. September schon mehr als zweifelhaft, ob ein deutscher Politiker im Nahost-Konflikt einseitig Partei nehmen soll, so zeigt sich jetzt: Seit dem Angriff auf Amerika ist gar nicht alles anders als vorher. Jürgen W. Möllemann beispielsweise ist immer noch wie eh und je.

Er hat nicht weitergedacht. Mittlerweile ist doch offenkundig, dass man international agierenden Terroristen nicht so beikommen kann, wie es im Schulbuch steht. Rechtsstaatlich und völkerrechtsgemäß kann es schwerlich zugehen, weil sie auf fremdem Territorium Schutz finden, im Fall Israels in den autonomen Palästinenser-Gebieten oder in den Nachbarstaaten.

Was Israel tut, kann man falsch finden. Man muss es in vielerlei Hinsicht auch - bei der Siedlungspolitik, bei der extrem asymmetrischen Vergeltung, bei Scharons Verhandlungsverhinderungspolitik - aber Staatsterrorismus kann man es nur nennen, wenn man auch die Operation "dauerhafte Freiheit" so nennt.

Warum redet Möllemann so daher? Warum legt er sich mit dem Zentralrat der Juden an? Ist er etwa ein Antisemit? Gewiss denkt er nicht schlecht über Juden. Möllemann denkt nur sehr, sehr ungenau über den Nahostkonflikt, über die Folgen des 11. September, über Außenpolitik. Aber Ungenauigkeit ist in der jetzigen Situation etwas sehr gefährliches. Man kann also nur hoffen, dass die Wähler ihn immer möglichst weit weg von jedweder Außenpolitik halten.

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