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Thilo Sarrazin: Politik im Tanga-Format

Als Senator hatte Thilo Sarrazin ein paar Mal bewiesen, dass ihm politische Korrektheit nicht wichtig ist. Mit seinem neuen Hang zur Dauer-Provokation auf Talk-Show-Niveau ruiniert Sarrazin allerdings gerade seinen Ruf – anders als Heinz Buschkowsky, der wacker Neuköllner Politik macht.

Schade eigentlich. Thilo Sarrazin wird, wenn er so weitermacht, nicht mal die Bundesbanker-Pensionsgrenze erreichen, ohne seinen Ruf als ernst zu nehmender Politiker ruiniert zu haben. Seine jüngste Provokation lässt das ahnen. Man muss ihn nur auf ein Podium setzen – schon kommt ein schlimmes Wort zur „Integrationsdebatte“. Jetzt will er ein „Kopftuchverbot“ für Schülerinnen im Unterricht. Denn das Kopftuch sei ein politisches Symbol, es symbolisiere den Machtanspruch des Mannes über die Frau.

Modemäßig ist Sarrazin nicht auf der Höhe; auf dem Olymp der Geldverwalter hat er die Emanzipation des Kopftuchs in zumindest manchen Migrantenschichten nicht bemerkt. Und als Polit-Provokateur wird er langsam unglaubwürdig. Gewiss kann man per Schulordnung alles Mögliche verbieten. Aber das wird den – wichtigen – Streit über die Frage, was von Einwanderern zu fordern ist, nicht voranbringen. Verbote, wie er sie sich vorstellt, machen die Leute bockig. Leicht überspitzt gefragt: Wie würde ein strammest konservativer Muslim, der seine Frau den geilen Blicken anderer Männer entziehen will, auf ein Burka-Verbot reagieren? Er würde sie in der Wohnung einsperren.

Sarrazin sollte aus seiner Zeit als Senator wissen, wie schwer es ist, integrationsunwillige Einwanderer zu erreichen. Weil der heutige Bundesbank-Vorstand die Berliner Verhältnisse kennt, war sein Interview mit der Zeitschrift „Lettre“ eine so interessante Lektüre. Er wusste – auch im Hinblick auf manche Migranten –, wovon er sprach, und er sprach frei von den Beschränkungen der Amts- und Koalitionsdisziplin. So kommen Wahrheiten zustande, die politisch nicht korrekt und darum treffend sind.

Als Senator hatte Sarrazin ein paar Mal bewiesen, dass ihm politische Korrektheit nicht wichtig ist – Stichworte: Speiseplan für Transferleistungsempfänger und warme Pullover im Winter. Da hatte er offenbar noch so viel Ehrgeiz, dass er wider die Polit-Moral seiner SPD-Parteifreunde redete, die gern so tun, als seien die Hartz-Reformen fast so böse wie die Erfindung der Atombombe. Als Sarrazin noch Senator war, konnte man meinen, es gebe in der Berliner SPD außer dem Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky noch einen, der nicht bloß an die Konsumenten des Sozialstaats denkt, sondern auch an die, die ihn bezahlen.

Den Eindruck ruiniert Sarrazin mit seinem neuen Hang zur Dauer-Provokation. Anders als Buschkowsky, der wacker Neuköllner Politik macht, treibt Sarrazin nur noch das Politgerede auf dem Talk-Show-Niveau an; er wird gehört, weil er „prominent“ ist. Sein Kopftuchverbot ist so spannend, als würde Dieter Bohlen fordern, dass alle Frauen nur noch String-Tangas tragen. Der ehemalige Senator ist in seiner Funktion als Banker offenbar nicht ausgelastet. Oder rächt er sich mit seinen Bemerkungen bloß an seinem Chef, der ihm wegen des bösen, bösen Lettre-Interviews ein paar Zuständigkeiten weggenommen hat?

 Werner van Bebber

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