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Meinung: Träume von einer besseren Welt

Auch ohne Klonen steckt die Medizin moralisch im Dilemma

Alexander S. Kekulé Mehr als ein Jahr hat der Nationale Ethikrat über das therapeutische Klonen gegrübelt. Heraus kam eine Meldung von Radio Eriwan: „Im Prinzip ja, aber trotzdem nein.“ Von den 25 Mitgliedern sind zwölf unter Auflagen dafür, fünf strikt dagegen, die restlichen acht wollen erst einmal abwarten. Obwohl die Mehrzahl der vom Bundeskanzler ernannten Experten also für das therapeutische Klonen („Forschungsklonen“) ist, sprach sich der Rat dagegen aus: „Der Nationale Ethikrat verständigt sich – unbeschadet der dargestellten divergierenden Voten – auf die Empfehlung, das Forschungsklonen in Deutschland gegenwärtig nicht zuzulassen.“

Dieser dürre Satz ist die einzige gemeinsame Empfehlung zum Thema. Den größten Teil des 70Seiten-Papiers nehmen die drei divergierenden Positionen ein, die aus den Feuilletons bereits hinlänglich bekannt sind. Hat das mit jährlich 2,14 Millionen Steuergeldern ausgestattete Gewissensgremium also versagt?

Sicher hat die Runde, die nach wie vor umstritten ist, mit der Entscheidung zunächst einmal ihre eigene Existenz gerettet. Eine weitere Vertagung des ursprünglich für Mitte August angekündigten Votums hätte den Kanzler-Rat in die Bedeutungslosigkeit manövriert. Eine formelle Abstimmung, die nach der Mehrheitslage eine Entscheidung für das therapeutische Klonen gebracht hätte, kam ebenfalls nicht in Frage – die kategorischen Klongegner hätten dann keine andere Wahl gehabt, als das Gremium unter Protest zu verlassen.

Trotzdem hat der Ethikrat nicht versagt. Das Problem liegt tiefer: Die Aufgabe, eine ethisch begründete Handlungsanweisung an die Politik zu geben, war objektiv unlösbar. Das liegt nicht etwa daran, dass die zugrunde liegende Frage philosophisch und religiös nicht zu knacken wäre – je nach weltanschaulichem Kontext kann durchaus begründet werden, ob Embryonen zur Rettung von Menschenleben geopfert werden dürfen oder nicht. Das Problem ist vielmehr, dass sich die Realität der Medizin schon lange unbemerkt von dem entfernt hat, was die Deutschen – oder zumindest ein großer Teil von ihnen – als moralischen Konsens empfinden. Erst die Klondebatte entlarvte, wie eklatant die Widersprüche sind: Hunderttausende lebensfähiger Embryonen werden durch die Spirale getötet. Menschenleben in Tiefkühltruhen, Frühgeburten und Abtreibung von Mehrlingsschwangerschaften sind alltägliche Kollateralschäden der Reproduktionsmedizin.

Während embryonale Zellhaufen im Labor unter staatlichem Rechtsschutz stehen, dürfen Föten aus medizinisch-sozialer Indikation bis kurz vor der Geburt abgetrieben werden. Die logische Konsequenz aus dieser Realität wäre gewesen, auch das therapeutische Klonen unter Auflagen zu erlauben – doch die öffentliche Meinung hätte den Ethikrat als Ketzer denunziert, wenn er ihr so unverhohlen den Spiegel vorgehalten hätte. Umgekehrt wäre ein kategorisches Verbot nicht zu begründen gewesen, ohne zugleich erlaubte Verhütungsmethoden, In-vitro-Fertilisation, das Abtreibungsrecht und anders denkende Staaten – etwa Großbritannien und USA – an den Pranger zu stellen.

Die bioethische Diskussion wird nicht weiterkommen ohne das Eingeständnis, dass unsere Gesellschaft auch ohne therapeutisches Klonen bereits tief im moralischen Dilemma steckt. Die Medizin hat den Rubikon längst überschritten, während Moraltheologen auf der anderen Seite noch immer von einer Welt ohne Abtreibung träumen. Die Bioethiker müssen sich mit der medizinischen Realität auseinander setzen, wie sie heute ist – sonst wird sie ihren Weg weiter alleine gehen.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.Foto: J.Peyer

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