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Meinung: Traurige Helden

Warum wir die bemannte Raumfahrt nicht brauchen

Wo Technik versagt, sind die Schuldigen schnell gefunden: die Ingenieure. So auch nach der Explosion der amerikanischen Raumfähre Columbia. Wenn die Raumfahrttechniker den Hitzeschutz des alten Space-Shuttles fachmännisch geprüft hätten, könnten die sieben Astronauten noch am Leben sein. Aber sie haben nicht einmal die Probleme beim Start ernst genommen, als die Unterseite der Columbia beschädigt wurde. Die Ingenieure der Weltraumbehörde Nasa haben, kurz gesagt, wieder einmal gepennt.

Das ist die einfache Version der Geschichte, die in diesen Tagen die Runde macht. Dahinter verbirgt sich die falsche Vorstellung, mit Ingenieurskunst sei alles zu machen. Sie negiert die inhärenten Risiken einer Technologie, die Astronauten mittels kontrollierter Explosionen ins Weltall befördern und wieder heil zurückbringen soll. Sie lässt außer Acht, dass die Zuverlässigkeit dieser erstaunlichen Technologie erst mit der Erfahrung wachsen kann.

Seit der Mondlandung sind inzwischen mehr als drei Jahrzehnte vergangen. Und doch wird die bemannte Raumfahrt auch in drei Jahrzehnten noch keine Routineangelegenheit sein. Die Ursachen dafür liegen nicht allein in den Schwierigkeiten, das Schwerefeld der Erde zu verlassen oder das Überleben der Astronauten im luftleeren Raum zu sichern. Ein wesentlicher Grund ist schlicht, dass wir die bemannte Raumfahrt – im Gegensatz etwa zur technisch viel ausgereifteren Luftfahrt – nicht brauchen.

Das Jahr 1969 steht für eine geradezu unglaubliche Reise. Neil Armstrong und Edwin Aldrin verließen damals die Erde, landeten nach wenigen Tagen auf dem Mond und spazierten vor laufenden Kameras über einen Himmelskörper, der sein Nachtlicht seit jeher auf unseren Planeten wirft. Die Faszination für die Apollo-Expeditionen, für die erstmalige Eroberung und Beherrschung des Weltraums, ist bis heute lebendig geblieben. Und nur mit dieser Euphorie ist es wohl zu erklären, dass die Amerikaner in den 70er Jahren ihre kommerziellen Raumfahrtinteressen dem bemannten Raumfahrtprogramm unterordneten.

So entstand das Space-Shuttle. Die in weiten Teilen wieder verwendbare Raumfähre sollte die teuren Wegwerfraketen ablösen. Columbia und Co. sollten routinemäßig ins All fliegen, sämtliche Transporte – etwa von Telekommunikations- und Wettersatelliten – in den Weltraum übernehmen und darüber hinaus auch noch militärische Aufgaben erfüllen.

Die Raumfähre war jedoch ein totaler Flop. Menschen bei Transportflügen ins All mitzunehmen, hat sich als so aufwändig und kostspielig erwiesen, dass die USA inzwischen wieder billige Wegwerfraketen bauen, um auf dem Satellitenmarkt mithalten zu können. Jeder Start eines Shuttle kostet heute etwa eine halbe Milliarde Dollar.

Auch für die Erkundung des Weltraums, die vergleichende Planetenforschung oder die Erdbeobachtung taugt die bemannte Raumfahrt nicht. Der Mensch ist dabei vielmehr hinderlich. Kleine, unbemannte Raumsonden und Robotersysteme sind an die Herausforderungen der langjährigen Beobachtungsprogramme viel besser angepasst. Denn jenseits der Erdatmosphäre lauert eine absolut lebensfeindliche Umgebung auf den Menschen. Er kann diese Grenzsituation mit komplexen Lebenserhaltungssystemen eine Zeit lang beherrschen und im kosmischen Fitnessstudio gegen den langsamen körperlichen Verfall anstrampeln. Aber das alles nur zu einem horrenden Preis. Und selbst wenn die Menschheit Milliarden dafür auszugeben bereit ist, ist sie doch nicht in der Lage, im Weltraum irgendetwas zu tun, was in absehbarer Zeit den Kosten einen erkennbaren Nutzen entgegensetzen würde.

Mit dem Space-Shuttle sind die USA einer Vision erlegen. Sie und ihre Partnerländer, Deutschland eingeschlossen, haben daraus leider nicht viel gelernt. Der Bau der Internationalen Raumstation, des nächsten Milliardengrabes der bemannten Raumfahrt, zeigt stattdessen, wie groß die Versuchung des technisch Machbaren um seiner selbst willen noch heute ist.

Die Astronauten sind die traurigen Helden dieser Tage. Leider stehen den sieben Opfern des Columbia-Unglücks keine glaubhaften Verheißungen einer besseren Zukunft gegenüber.

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